Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
fremdartig, wie man sie in einer menschlichen Hülle nur finden konnte. Und noch lange, nachdem sie nach Kodamia zurückgekehrt wäre, würde ich mich immer noch mit Fei herumschlagen müssen. Mein Dasein würde nie wieder so unkompliziert sein wie damals, als ich nur dafür gelebt hatte, meiner Göttin zu dienen, und es nutzte nichts, mir etwas anderes vorzumachen.
»Du bist so still geworden, Aral«, bemerkte Hera. »Und du siehst so traurig aus. Ich hoffe, wir haben dir keinen Schmerz bereitet.« Ihre Stimme klang weich und mitfühlend und tat dadurch nur umso mehr weh.
»Nein, schon gut«, sagte ich, als Triss von der Wand glitt und mir tröstend einen Flügel über die Schultern legte. »Manchmal muss ich mich erinnern.«
Und das war die Wahrheit. Mein alter, einfacher Glaube mochte mit meiner Göttin und meinen Kameraden gestorben sein, aber im Laufe des letzten Jahres hatte ich endlich angefangen, etwas Neues auf den Ruinen des Fundaments dessen aufzubauen, was ich einst gewesen war. Ich mochte keine Klinge der Namara mehr sein. Dafür hatte sich zu viel Grau über das Schwarz und Weiß meines alten Weltbildes ergossen, trotzdem konnte ich auf meine eigene Art immer noch der Gerechtigkeit dienen. Und vielleicht, an guten Tagen, in gewisser Weise auch ihrer Göttin.
»Ihr wolltet mir etwas erzählen«, sagte ich.
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Dann lege ich wohl besser die Decken aus und hole den Whiskey.« Triss schlug tadelnd mit den Flügeln nach mir, aberdieses Mal ignorierte ich ihn einfach. Ich brauchte etwas, um den Schmerz zu lindern, den mir der Schlag bereitete, den HaS mir unwissentlich versetzt hatte.
»Lass Hera die Flasche holen«, sagte die Fusion. »Sie wird so oder so verrückt, wenn ich ihr nicht bald gestatte, aufzustehen und ein bisschen umherzuwandern.«
»Soll mir recht sein.«
Ehe ich den Satz beendet hatte, war Hera bereits aufgesprungen und sagte: »Dank sei den Zwillingen!« Womit sie Eyn und Eva meinte, die doppelgesichtige Göttin im Zentrum des kodamischen Zweiges der Kirche. »Und jetzt kann ich auch endlich diese verdammte Rüstung ablegen.«
Sie schälte sich aus der schweren Lederweste und hüpfte geradezu hinüber zu der Stelle, an der ich den Kyles sechs neben meiner Decke zurückgelassen hatte. »Da ist sie ja.« Sie warf mir die Flasche zu, als wäre sie der Kegel eines Jongleurs, und kam gleich darauf mit einer zusammengefalteten Decke hinterher.
»Danke.« Ich entkorkte die Flasche und nahm einen tiefen Schluck. Dann zerrte ich das halbe Fass herbei, auf dem ich zuvor gesessen hatte, und kommentierte: »So ist es leichter, die Flasche herumzureichen.«
»Mach dir keine Mühe«, sagte die Fusion mit Stals Mund. »Ich werde nichts trinken, ehe ich meine Geschichte zu Ende gebracht habe. Alkohol hat die Tendenz, die Grenzen zwischen uns dreien verschwimmen zu lassen, und davon möchte ich bei meiner Erzählung nicht gestört werden.«
»Na«, sagte Triss ein wenig gereizt, »wie wäre es denn dann, wenn wir vorerst alle nur Wasser tränken? Arals Grenzen lässt er nämlich auch verschwimmen.«
Ich verdrehte die Augen und nahm noch einen Schluck. Das sengende, torfige Brennen des Sechsers fühlte sich herrlich an, aber mir entging nicht, wie sehr es Triss aufregte, wenn ich trank, also verkorkte ich die Flasche wieder, stellte sie weg und winkteihm zu, er möge mir einen Wasserschlauch geben – was er in Windeseile erledigt hatte.
»Vertraute, was soll man da machen?«, sagte ich schulterzuckend, und mir kam erst, nachdem ich die Worte ausgesprochen hatte, in den Sinn, dass diese uralte Magierklage über unsere Kameraden bei Dyaden ganz anders ankommen könnte. »Ich bitte um Vergebung, sollten die Damen diese Worte als Kränkung empfunden haben.«
Das entlockte beiden – vielleicht sogar allen drei – Komponentenpersönlichkeiten der Dyade ein stürmisches Gelächter. Während sie um ihre Fassung rangen, nutzte ich die Gelegenheit, um meine Decke zu einem kleinen Sitzpolster zu falten und mich im Schneidersitz mit dem Rücken an das halbe Fass zu lehnen.
»Wie ich sehe, habe ich etwas Lustiges geäußert?«
Stal, die sich die Tränen aus den Augen wischte, nickte. »Oh, ja. Du musst wissen, einer der beliebtesten Witze in der Dyadenschaft dreht sich um die Frage, wer Vertrauter ist und wer Meister und folglich darum, wer unter wem zu leiden hat. Die Magier behaupten, es wären wir Muskelköpfe, weil die Bindung zwischen Magier und
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