Die Klinge
nur ganz kurz gesehen. Er verschwand übrigens in Richtung dieses Hotels hier, des Baur en Ville.«
»Das haben Sie in Ihrem Artikel aber nicht erwähnt«, sagte Paula.
»Natürlich nicht«, antwortete Snyder grinsend. »Ich will doch nicht, dass Beck mich stundenlang festhält und verhört.«
»Haben Sie diese Gestalt vielleicht schon einmal gesehen?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Bestimmt nicht?«
Snyder hob sein Glas, trank einen tiefen Schluck Bier und schmatzte dann mit den Lippen, während er das Glas zurück auf den Tisch stellte. Er schien so zufrieden mit sich und der Welt zu sein, dass Newman ihm am liebsten mit der Faust ins Gesicht geschlagen hätte. Aber er hielt sich zurück und überließ Paula das Feld, die bisher erstaunlich viel aus Snyder herausgekitzelt hatte.
»Mr. Snyder«, sagte sie, wobei ihre Stimme immer noch völlig ruhig blieb, »hat die Gestalt etwas mit sich herumgetragen?«
»Könnte sein, dass sie eine große Aktentasche oder etwas Ähnliches in der Hand hatte. Aber sicher bin ich mir da nicht.«
»Und das war, bevor Sie mitbekommen haben, wie die Leiche entdeckt wurde?«
Snyder holte einen Zigarillo aus einer Packung, die auf dem Tisch lag, und ließ sich lange Zeit mit dem Anzünden. Dann zog er ein paar Mal daran und sah sich in der Bar um. Es war ein großer, luxuriös möblierter Raum mit mahagonigetäfelten Wänden und einem sichelförmigen Tresen, vor dem auf mit schwarzem Leder bezogenen Barhockern nur wenige Gäste saßen. In der Mitte des Lokals, das durch in die Decke eingelassene Strahler beleuchtet wurde, stand ein großes, glänzendes Piano.
»Sie haben mir meine Frage noch nicht beantwortet«, sagte Paula, um ihm auf die Sprünge zu helfen.
»Wissen Sie was?«, sagte Snyder und blies eine Wolke blauen Rauch aus. »Ich habe Ihnen heute schon viel zu viele Fragen beantwortet.«
»Vielen Dank für Ihre Unterstützung, Bob«, sagte Paula auf dem Rückweg zum Baur au Lac.
»Aber ich habe doch gar nichts gesagt - von meinem kurzen Ausfall einmal abgesehen.«
»Genau darin bestand ja Ihre Unterstützung.«
Sie sah hinüber zu Newman, der das Gesicht verzog. Mit einem solchen Lob konnte er nicht besonders viel anfangen, aber Paula war das egal. Sie hatte ihre Aufgabe erledigt.
»Was halten Sie eigentlich von Snyders vager Beschreibung des Mörders? Oder soll ich besser sagen: desjenigen, den er für den Mörder gehalten hat?«
»Vage ist genau das richtige Wort.«
»Die Tatsache, dass er ohne Not darauf zu sprechen kam, bringt mich aber auf eine ganz andere Idee. Sam Snyder war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und das finde ich verdächtig. Möglicherweise ist ja er der Killer, den wir suchen.«
25
»Hallo«, meldete sich Tweed am Telefon. Er befand sich in seiner Suite im Hotel.
»Hier Ed Danvers. Mr. Straub will Sie sprechen. Er ist in seiner Suite …«
»Und ich bin in meiner …«
»Wir wissen, wo Sie sind. Der Vizepräsident möchte Sie umgehend sehen.«
»Dann kann er jederzeit zu mir kommen. Ich erwarte ihn.«
Tweed legte auf und ging zur wohl sortierten Bar der Suite, um nachzusehen, ob genügend Bourbon da war für den Fall, dass Straub tatsächlich kommen sollte. In diesem Augenblick ertönte ein herrisches Klopfen an der Tür. Tweed öffnete, und Straub stürmte herein.
Der Vizepräsident trug einen weißen Anzug, ein schreiend rosa Hemd und eine bunte Krawatte mit der amerikanischen Flagge darauf. Die Farben waren etwas unglücklich gewählt, aber so war er wenigstens nicht zu übersehen. Straub schlug Tweeds Angebot, sich zu setzen, aus und lief stattdessen mit langen Schritten in dem Zimmer auf und ab. Seine Miene passte so gar nicht zu seiner farbenfrohen Garderobe. Zornesfalten durchfurchten sein längliches Gesicht.
»Falls Sie es vergessen haben sollten - ich bin der Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Normalerweise kommen die Leute zu mir, wenn ich sie sehen will.«
»Zu diesen Leuten gehöre ich nicht.«
»Sie werden sich nicht mehr lange auf Ihrem Posten halten, wenn ich erst mal wieder in Washington bin.«
»Wann fahren Sie denn?«, fragte Tweed gelassen.
»Noch nicht so bald.« Der Anblick der Bourbonflasche in Tweeds Hand schien eine beruhigende Wirkung auf Straub zu haben. »Ich glaube, ich nehme einen Drink«, sagte er und setzte sich in einen der Sessel.
»Aber gern. Sie scheinen große Sorgen zu haben, Mr. Straub«, bemerkte Tweed, während er zwei Gläser mit Whiskey füllte. Dann setzte
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