Die Klinge
wollen, und Paula hatte das Gefühl, als brächte Zeitzler sie ins Innere der Erde.
Schließlich kamen sie in einen von grellen Neonröhren beleuchteten Raum mit modernen, blitzblank geputzten Metalltischen. Kameras hingen an Teleskoparmen von der Decke und konnten in jede beliebige Position geschwenkt werden.
Hier mussten Paula und Tweed ihre Mäntel ausziehen und in weiße Overalls schlüpfen, die ihnen ein hagerer Angestellter reichte. Nachdem sie sich noch Plastikgaloschen über die Schuhe, Latexhandschuhe über die Hände gestreift und Gesichtsmasken mit Atemfilter angelegt hatten, öffnete Zeitzler eine wuchtige Stahltür.
Paula atmete tief durch, bevor ein unverkennbarer Geruch durch den Filter ihrer Maske drang. Es war der Geruch von Formalin, in dem man Leichenteile konservierte. Paula kannte ihn von mehreren Besuchen in Professor Saafelds Leichenkammer in Holland Park.
Sie straffte die Schultern und folgte Zeitzler in einen kleinen Raum, an dessen Wänden sich viele Reihen von Metallschubladen befanden. In jeder davon, das wusste Paula, war Platz für eine Leiche. In der Mitte des Raumes stand ein Tisch, auf dem ein etwa dreißig Zentimeter langer, von einem weißen Tuch verhüllter Gegenstand lag. Zeitzler sah sie an.
»Sind Sie bereit?«, fragte er. »Falls Sie eine Toilette brauchen, sie ist gleich hinter der Tür dort.«
Er glaubt wohl, dass mir schlecht wird, dachte Paula und erwiderte fest seinen Blick. Dann griff er nach dem Tuch und zog es mit einem Ruck zur Seite. Paula ballte die Hände in den Latexhandschuhen unwillkürlich zu Fäusten.
Vor ihr lag in einem großen, mit Formalin gefüllten Glasgefäß der knapp unterhalb des Kinns vom Rumpf abgetrennte Kopf von Elena Brucan, der sie mit glasigen Augen anstarrte. Auf dem zylindrischen Behälter lag ein mit einem gläsernen Knopf versehener Glasdeckel. Paula sah dem gruseligen Exponat eindringlich in die Augen, als
könnten ihr diese ein Geheimnis verraten. Aber das war pure Einbildung.
»So was nennen wir in England ein Laborgefäß«, sagte sie und deutete mit einem behandschuhten Zeigefinger auf den Glaszylinder.
»Wir hier auch«, erwiderte Zeitzler, dessen Stimme durch die Maske seltsam verzerrt klang.
»Da haben wir es«, wandte sich Paula an Tweed, ohne den Zeigefinger zu senken.
»Was haben wir?«
»Das Behältnis, in dem der Mörder die Köpfe transportiert.«
27
»Ich dachte mir schon, dass Sie in Elenas Sachen nichts finden würden«, sagte Tweed zu Paula, nachdem Beck sie vor dem Hoteleingang abgesetzt hatte. »Becks Leute werden alles bereits sorgfältig durchsucht haben - und Zeitzler wahrscheinlich auch.«
Kurz bevor sie die Leichenhalle verließen, hatte Paula darum gebeten, sich Elenas Garderobe ansehen zu dürfen. Tweed hatte es ihr nicht ausgeredet, obwohl er gewusst hatte, dass sie damit nur ihre Zeit verschwendete. Jetzt klappte er seinen Kragen nach oben, weil die Kälte unter seinen Mantel kroch. »Hätten Sie Lust auf einen kleinen Spaziergang in dem Park da drüben?«, fragte er. »Ich möchte in Ruhe nachdenken.«
»Stimmt, ich habe nichts gefunden«, sagte Paula, nachdem sie die Straße überquert hatten. »Aber es hat sich trotzdem gelohnt«, fügte sie hinzu.
»Sprechen Sie bitte nicht in Rätseln.«
»Ich weiß, das ist sonst Ihre Spezialität.«
»Also, was meinen Sie damit?«, fragte er gereizt.
»Ich habe entdeckt, dass etwas fehlt. Sie erinnern sich doch bestimmt an den bestickten Schal, den sie immer trug? Nun, der war nicht da.«
»Könnte er vielleicht… äh… entfernt worden sein, bevor der Mörder sich an sein schändliches Werk machte? Er war ihm vielleicht im Weg, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Tweed bemühte sich um eine möglichst harmlose Formulierung.
»Was ist dann aus dem Schal geworden?«
»Wahrscheinlich hat er ihn in den Fluss geworfen.«
»Das glaube ich nicht. Beck hat den Fluss nach dem Kopf absuchen lassen.«
»Aber der Kopf hat dieses Mal doch gar nicht gefehlt.«
»Stimmt, entschuldigen Sie bitte. Ich bin schon völlig überreizt. Beck hat den Fluss natürlich nach irgendwelchen Spuren absuchen lassen. Er hat sogar Taucher losgeschickt. Aber den Schal haben sie nicht gefunden.«
»Wenn man sich alle vier Fälle ansieht, könnte man zu dem Schluss kommen, dass der Täter eine Vorliebe für Wasser hat«, sagte Tweed. »In Maine hat er am Atlantik gemordet, in Bray hat er Holgates Leiche in einen Nebenarm der Themse geworfen, und in Montreux wurde Seales
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