Die Klinge
so fasziniert davon war, weckte ihre Neugier, aber gleichzeitig verspürte sie auch ein heftiges Unbehagen. Sie schob das Gefühl beiseite und fragte weiter.
»Sie haben gerade gesagt, ›anscheinend völlig sinnlos‹. Was haben Sie damit gemeint?«
»Nun ja, ich kann gerade noch verstehen, wenn jemand seinen Opfern den Hals durchschneidet. Aber sie regelrecht abzuschlachten ergibt doch keinen Sinn, oder?«
»Und wie erklären Sie sich das mit den Fotos in der Leichenhalle?«
»Also, ich vermute mal, dass er stolz auf seine Arbeit war.« Plötzlich richtete Sophie sich auf und suchte Paulas Blick. »Und was glauben Sie? Wer ist der Täter in unserem Fall?«
»In diesem Stadium der Ermittlungen ist das schwer zu sagen.«
»Aber Sie müssen doch schon irgendwelche Hinweise haben. In welche Richtung ermitteln Sie?«, fragte Sophie weiter.
»Wir haben bisher noch nichts Konkretes. Wir müssen abwarten, bis der Mörder irgendwann einen Fehler macht.«
»Aber bisher hat er noch keinen gemacht, oder?«
»Da bin ich nicht so sicher. Wie gesagt, wir müssen abwarten«, sagte Paula.
»Falls dieser Karazov tatsächlich wieder aktiv ist, werden Sie lange warten können. Er ist einfach zu clever, und er hat viel zu viel Erfahrung.«
»Das mag sein«, sagte Paula und hielt einen Moment inne. »Aber ich glaube nicht, dass es Karazov ist. Jetzt muss ich aber gehen, sonst machen sich die anderen noch Sorgen um mich. Es war schön, mit Ihnen zu plaudern.« Das zuletzt Gesagte entsprach allerdings nicht ganz der Wahrheit.
Normal oder abnormal?, fragte sich Paula, während sie zu Tweeds Suite ging, um ihm Bericht zu erstatten. Aber eigentlich wusste sie die Antwort schon.
Der schwarze Mercedes war einer der wenigen Wagen, die in dieser Nacht auf der Landstraße außerhalb Zürichs unterwegs waren. Ed Danvers, der am Steuer saß, hatte den Wagen unten am See geparkt, dessen glattes Wasser jenseits einer niedrigen Mauer wie ein schwarzer Spiegel ausgebreitet dalag. Russell Straub, der auf dem Beifahrersitz saß, machte einen nervösen, angespannten Eindruck.
»Dieser Tweed wird allmählich zu einem Problem«, sagte er grimmig. »Er darf auf keinen Fall weiter ermitteln.«
»Wieso, Sir?« Der FBI-Mann hätte gern mehr Informationen bekommen.
»Wenn er den Killer stellt, wird das womöglich weltweit Schlagzeilen machen. Und das kann ich überhaupt nicht gebrauchen.«
»Denken Sie dabei an den Mord an Hank Foley?«
Straub drehte den Kopf zur Seite und spähte durch die getönte Autoscheibe nach draußen. Nachdem er sich vergewissert
hatte, das niemand in den Wagen schauen konnte, zündete er sich genüsslich eine dicke Zigarre an.
»Ich rauche nie in der Öffentlichkeit, wie Sie wissen. Damit sichere ich mir die Stimmen überzeugter Nichtraucher.«
»Machen Sie sich denn Sorgen wegen des Mordes an Hank Foley?«, hakte Danvers nach, obwohl ihm sein Instinkt als FBI-Beamter sagte, dass dies nicht der wahre Grund für Straubs Nervosität sein konnte. »Falls die Presse die Sache wirklich aufbauschen sollte, muss sie ja nicht unbedingt erwähnen, dass Sie zufälligerweise in der Nähe von Pinedale ein Haus besitzen.«
»Da kennen Sie die Presse schlecht. Die Washington Post hasst mich und lässt keine Gelegenheit aus, mich herunterzumachen.«
»Falls es noch einen anderen Grund gibt, weshalb Tweed Ihnen Sorgen bereitet, dann sollte ich das wissen. Sonst stochere ich ja nur im Nebel herum.«
»Es gibt keinen anderen Grund, verdammt noch mal«, herrschte Straub ihn an. »Und vergessen Sie nicht - wenn ich Präsident werde, werde ich Cord Dillon als Stellvertretenden Direktor der CIA entlassen. Ich könnte Sie jederzeit an seine Stelle setzen. Andererseits …« Sein Ton wurde drohend. »… andererseits könnte ich Sie aber auch für den Rest Ihrer beruflichen Laufbahn in London versauern lassen. Sie haben die Wahl, Ed.«
»Sie wollen mir doch hoffentlich nicht vorschlagen, dass ich einen Killer auf Tweed ansetzen soll?«
»Würde ich so ein Risiko wohl eingehen, Ed?« Grinsend wandte er sich wieder dem FBI-Mann zu, den der Ton seines Vorgesetzten offenbar nicht gerade einschüchterte.
»Ich könnte meine Verbindungen spielen lassen und etwas diplomatischen Druck auf die Schweizer Behörden ausüben, um zu veranlassen, dass Tweed des Landes verwiesen wird«, sagte Danvers.
In diesem Augenblick tauchte oben auf der Kaimauer eine Gestalt im Trenchcoat auf. Langsam schlenderte der Mann, der seinen Hut tief ins
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