Die Klinge
dem aus sie alles im Blick hatten. Nield schaute an Tweeds Tisch vorbei, als säßen dort lauter Fremde.
»Ich habe irgendwie das Gefühl, als hätten wir den Arbogasts ihren Tee verdorben«, sagte Paula.
»Genau das war auch meine Absicht«, entgegnete Tweed mit grimmigem Gesicht. »Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir von unserer Seite aus Druck ausüben müssen. Sonst läuft uns die Zeit davon.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Weil Beck mich vorhin auf meinem Zimmer angerufen hat. Er hat erfahren, dass unser Freund Nathan Morgan die Stadt Zürich noch immer nicht verlassen hat. Das lässt darauf schließen, dass er andere Methoden anwenden wird. Er sitzt am Flughafen Kloten und wartet vermutlich auf Verstärkung.«
»Aber er weiß nicht, dass wir hier sind.«
»Da wäre ich mir gar nicht so sicher. Gut möglich, dass Arbogast ihn informiert hat. Aber sehen Sie mal, wer da kommt.«
Es war Black Jack Diamond, der in Reitkleidung die Lounge betrat. Sogar eine Gerte hatte er bei sich. Nachdem er sich kurz umgesehen hatte, kam er schnurstracks auf Paula zu. Er beugte sich zu ihr herab und flüsterte ihr ins Ohr: »Wenn Sie mit Ihrem Tee fertig sind, können wir uns
dann in der Halle treffen? Ich habe da etwas herausgefunden, das Sie unbedingt wissen sollten.«
»Ich bin schon fertig«, sagte Paula. »In einer Minute bin ich bei Ihnen.«
Black Jack wirkte ungewohnt ernst, und von seiner üblichen Ironie war nichts zu spüren. Als er die Lounge verließ, winkte er den Arbogasts zu, von denen jedoch niemand zurückwinkte.
»Können Sie sich erinnern, Paula?«, sagte Tweed, der immer noch ein grimmiges Gesicht machte. »Als Sie im Baur au Lac mit Marienetta in der Lounge saßen und diese den Vizepräsidenten mit ›Vetter‹ ansprach? Sie haben mir erzählt, dass Straub daraufhin ein Gesicht gemacht hat, als ob er Marienetta am liebsten umgebracht hätte. Wenn Sie jetzt aufstehen, schauen Sie mal in die äußerste linke Ecke des Raums.«
Paula erhob sich langsam und rückte absichtlich umständlich den Riemen ihrer Schultertasche zurecht, während sie unauffällig in die angegebene Richtung blickte. In der hintersten Ecke der Lounge saß Russell Straub mit Ed Danvers zusammen an einem Tisch und blickte geradewegs zu ihr herüber. Er sah so finster drein, als ob er auch sie am liebsten umbringen wollte.
Als Paula den Blick über die anderen Gäste in der Lounge wandern ließ, kam ihr ein schrecklicher Gedanke. Großer Gott, vielleicht ist auch der Mörder hier im Hotel.
Als Paula kurz darauf in der Hotelhalle eintraf, kam Black Jack gleich auf sie zu.
»Draußen ist es kalt«, sagte er.
»Dann warten Sie einen Augenblick. Ich hole mir nur schnell meinen Mantel.«
Paula fuhr hinauf in ihr Zimmer. Als sie die Tür öffnete, sah sie, dass ihr jemand einen Briefumschlag darunter durchgeschoben hatte. Sie ging hinein, sperrte hinter sich ab und öffnete den Umschlag. Er enthielt einen Autoschlüssel
und eine Notiz, die Nields Handschrift trug. Habe Autos für uns alle gemietet. Das Ihre ist ein roter Peugeot. Zusätzlich war auf dem Zettel das Nummernschild des Wagens verzeichnet.
Paula steckte den Schlüssel ein und überprüfte gründlich ihre.32er Browning, bevor sie die Waffe wieder in das Geheimfach in ihrer Schultertasche steckte. Dann zog sie ihren Mantel an, schnappte sich die Tasche und fuhr mit dem Lift wieder hinunter in die Halle.
Black Jack war allein und betrachtete ein Ölgemälde an der Wand. Es zeigte ein vom Mondlicht beschienenes altes Haus, das am Ufer eines Sees stand. Es hatte zwei Stockwerke und ein steiles Dach mit Mansardenfenstern. Irgendetwas an dem Bild kam Paula unheimlich vor.
»Sie werden es nicht glauben«, sagte Black Jack und deutete auf das Gemälde, »aber als ich hier ankam, erzählte mir jemand, dass dieses Haus Roman gehört. Ich habe mir erklären lassen, wie man dort hinkommt, und einen kleinen Plan gezeichnet.« Er deutete auf ein Blatt Papier. »Sehen Sie«, sagte er und rückte so nahe an Paula heran, dass sich ihre Schultern berührten, »vom Hotel aus geht es die Auffahrt hinunter und dann nach rechts. Anschließend fährt man am See entlang bis zur nächsten Abzweigung hinauf in die Berge. Die nehmen Sie und folgen der Straße so lange, bis Sie in ein Dorf kommen. Fahren Sie durch und biegen Sie gleich nach dem Ortsende links ab. Das ist die kleine Straße, die zu dem Haus führt.«
Paula hatte den Eindruck, als ob Black Jack selbst schon einmal zu dem
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