Die Klinge
herein. Er hob beide Arme, und unter den Gästen brandete Beifall auf. Straub blieb mit erhobenen Armen stehen, während der Applaus anhielt.
»Was für ein selbstverliebter Fatzke«, flüsterte Newman, der gleich neben Paula saß.
»Psst«, zischte Paula. »Hey, Sie klatschen ja gar nicht richtig.«
Newman, der ein gelangweiltes Gesicht machte, bewegte seine Hände wie in Zeitlupe. Straub stand immer noch am oberen Ende der Stufen, die in den Saal hinunterführten, und setzte ein breites Grinsen auf. Der Applaus steigerte sich noch einmal.
»Dieses Grinsen sieht aus, als hätte es ihm jemand aufgemalt«, flüsterte Newman.
»Sie sind wirklich unverbesserlich, Bob«, meinte Paula, konnte sich ein Schmunzeln aber nicht verkneifen.
Straub war groß und schlank und hatte dunkelbraunes Haar, das er straff nach hinten gekämmt hatte. Unter dunklen, schmalen Augenbrauen blickte ein Paar stechender
Augen hervor. Seine Nase war lang und spitz, um den Mund hatte er einen bösartigen Zug, und das Kinn ließ auf eine gewisse Sturheit schließen. Als er die Stufen herabstieg, breitete er die Arme aus, als wollte er alle Anwesenden umarmen.
»Fehlt nur noch, dass er uns alle nacheinander abschmatzt«, bemerkte Newman trocken.
»Pst, nicht so laut«, ermahnte ihn Paula nochmals.
Man führte Straub zu seinem Tisch am anderen Ende des Raumes, wo er erst einmal allen, die dort saßen, die Hand schüttelte. Die meisten erhoben sich dabei von ihrem Platz, nur Roman Arbogast, der sich lediglich in seinem Stuhl umdrehte und dem Amerikaner lässig die Hand gab, blieb sitzen. Straub beugte sich zu ihm herab und sagte etwas, was Arbogast mit einem Nicken quittierte. Dann erst nahm Straub neben Sophie Platz, ließ sich von einem seiner Leibwächter ein Päckchen geben und überreichte ihr sein Geschenk, das in ein mit dem amerikanischen Sternenbanner bedrucktes Papier eingewickelt war.
»Wie dezent«, sagte Newman stichelnd.
»Da muss ich Ihnen Recht geben«, bestätigte der Mann, der neben Paula saß. Sie schaute auf sein Tischkärtchen und erschrak. Der hoch gewachsene, gut aussehende Mann war Black Jack Diamond. »Er hätte wenigstens den Union Jack nehmen können«, fuhr er fort, »aber was kann man von einem ignoranten Politiker wie ihm schon groß erwarten.«
»Gut gebrüllt, Löwe«, sagte Marienetta, die Black Jack Diamond gegenüber saß und lachte. »Wie ich sehe, gibt es heute Hühnchen Maryland. Wollen wir mal hoffen, dass es frisch ist, wo es doch einen so weiten Weg hinter sich hat.« Wieder lachte sie, und Newman und Black Jack stimmten mit ein.
»Hoffentlich war es nicht länger als sechs Monate in der Gefriertruhe«, sagte Black Jack. »Die Amerikaner sind
schließlich dafür bekannt, dass sie alles einfrieren. Wahrscheinlich entsorgen sie so auch ihre abgehalfterten Politiker, so wie wir hier in England die unsrigen in das Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud stellen.«
Newman, der gerade einen Schluck Wein getrunken hatte, erstickte fast vor Lachen. Paula war es peinlich, dass sie zwischen zwei so ungehobelten Kerlen sitzen musste. Marienetta schien zu spüren, was in ihr vorging, denn als ihr Tischherr aufstand und sich entschuldigte, winkte sie Paula zu und klopfte mit der Hand auf den frei gewordenen Platz.
Nachdem bereits Vorspeise und Hauptgang des Menüs serviert worden waren, hatten sich immer mehr Gäste durch die Falttür am Ende des Raumes in den anschließenden Tanzsalon begeben. Die Kapelle spielte einen schnellen Foxtrott. Als Paula aufstand, um sich neben Marienetta zu setzen, erhob sich Black Jack rasch und nahm ihren Arm.
»Darf ich bitten?«, fragte er. »Es wäre mir eine große Ehre, mit einer so gut aussehenden und intelligenten Frau wie Ihnen tanzen zu dürfen.«
Paula zögerte einen Augenblick. Jetzt bereute sie es, dass sie sich für ein großzügig dekolletiertes, schulterfreies, knielanges Kleid entschieden hatte. Black Jack hatte zwar schon ziemlich viel Wein getrunken, aber sie konnte seine Bitte unmöglich abschlagen. Als sie auf der Tanzfläche waren, legte er ihr auch sogleich eine Hand auf die nackte Schulter, schlang ihr den anderen Arm um die Taille und presste sie fest an sich.
Während sie miteinander tanzten, betrachtete Paula den Mann genauer. Black Jack hatte die Figur eines Dressmans, aber ein faltiges Gesicht, das irgendwie nicht dazu passen wollte. Die Stirn war klassisch geformt, die Augen waren seltsam groß und unergründlich, und das dichte, blonde Haar trug
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