Die Klinge
unter ihnen, die im Mondlicht fast schwarz wirkten. Beim Landeanflug sah Paula, wie sich rechterhand weiß die Brandung an der Küste brach. Im Hafen lagen mehrere Fischkutter vor Anker.
»An wen wenden wir uns hier?«, fragte sie.
»Cord Dillon, mein Freund bei der CIA, hat mir am Telefon geraten, uns gleich noch am Flughafen mit dem hiesigen Polizeichef in Verbindung zu setzen. Er heißt Andersen. Hoppla - wir sind gelandet.«
Am Schalter der Autovermietung wusste niemand über den Leihwagen Bescheid, den Monica von London aus für sie bestellt hatte, aber Andersen, der sie vom Flugzeug abgeholt hatte, erklärte ihnen, dass das kein großes Problem sei. Er würde ihnen seinen Wagen samt Fahrer zur Verfügung stellen, damit sie nach Pinedale gelangten. Nur um den Rücktransport müssten sie sich selbst kümmern. Er selbst werde sich per Funk einen Ersatzwagen bestellen.
Als Andersen sie vom Hauptgebäude hinaus zu dem wartenden Polizeiauto begleitete, schlug er für den kurzen Weg den Kragen seines schäbigen, alten Pelzmantels nach oben. Paula erkannte sofort den Grund dafür. Die Luft war schneidend kalt und stach ihr Gesicht wie mit tausend Nadeln.
»Sie haben sich wirklich die falsche Jahreszeit für einen Besuch bei uns ausgesucht«, sagte Andersen. »Und laut Wetterbericht braut sich draußen über dem Atlantik auch noch ein heftiges Sturmtief zusammen.«
Es waren nur wenige Menschen unterwegs, und die, die sich überhaupt hinauswagten, waren dick eingepackt.
»Die Stadt macht einen fast ausgestorbenen Eindruck auf mich«, sagte Paula.
»Kein Wunder, die Leute haben wegen des nahenden Sturms alles mit Brettern vernagelt.«
Der Streifenwagen, den Andersen ihnen zur Verfügung stellte, war ein verbeulter alter Ford mit einer langen, verrosteten Funkantenne.
»Das ist Sam«, stellte Andersen ihnen den Fahrer vor. »Er bringt Sie hinaus nach Pinedale. Mehr kann ich im Moment nicht für Sie tun.«
»Ich bitte Sie, Chief Andersen. Das war wirklich sehr großzügig von Ihnen«, sagte Tweed. »Haben Sie noch mal vielen Dank.«
»Tut mir Leid, dass ich Ihnen Sam nur so kurz abstellen kann, aber wir ermitteln gerade in einem großen Raubfall, und da kann ich ihn einfach nicht zu lange entbehren. Ich brauche ihn, damit er unseren Leuten gehörig in den Arsch tritt.« Er erschrak und warf Paula einen entschuldigenden Blick zu. »Nichts für ungut, Ma’am, ist mir so rausgerutscht.«
Tweed setzte sich nach vorn neben den Fahrer, während Paula und Newman hinten einstiegen. Sam gab Gas, und bald hatte der Streifenwagen die Stadt hinter sich gelassen. Sie fuhren über weites, flaches Land. Das Licht der Scheinwerfer spiegelte sich auf der schwarzen Teerdecke der Straße.
Paula verspürte aus Vorfreude auf das kommende Abenteuer ein leichtes Kribbeln im Bauch. Wie auch Newman hatte sie am Einreiseschalter in Boston den Mund gehalten und das Reden Tweed überlassen.
»Sind Sie geschäftlich hier, oder wollen Sie Urlaub machen?«, hatte sie der Beamte am Einreiseschalter gefragt.
»Geschäftlich«, hatte Tweed geantwortet.
»Beruf?«
»Sicherheitsberater.«
Mehr hatte der Mann nicht wissen wollen. Was für ein enormer Unterschied zu New York. Wenn Tweed dort einreiste, musste er langes Warten in einer Schlange ungeduldiger Mitpassagiere und eine Litanei mürrischer Fragen in Kauf nehmen, ehe er sich auf die mühsame Suche nach einem Taxi machen konnte.
Vor ihnen lief das schier endlose schwarze Band der Straße hinaus in die undurchdringlich finstere Nacht. Sam hockte schweigend am Steuer und blickte nicht ein einziges Mal hinüber zu Tweed. Irgendwann fuhren sie durch einen dichten Nadelwald, dessen Bäume so hoch waren, dass Paula die Wipfel nicht mehr sehen konnte. Ihre Vorfreude auf das bevorstehende Abenteuer verwandelte sich in ein Gefühl der Beklemmung. Außer ihnen war keine Menschenseele unterwegs. Gelegentlich gestattete eine Lücke zwischen den Bäumen einen flüchtigen Blick auf einen forstwirtschaftlich genutzten Schotterweg. Ob in dieser düsteren Wildnis überhaupt jemand lebt?, fragte sich Paula. Kurz darauf hörte auf ihrer Seite des Wagens der Wald auf, und sie sah im Mondlicht eine rote Scheune. Offenbar lebte doch jemand hier.
Langsam änderte sich das Wetter. Vom Meer her zogen dunkle Wolken auf. Sam blickte zum Himmel, sagte aber nichts. Sein Gesicht unter der tief in die Stirn gezogenen Dienstmütze erinnerte Paula irgendwie an ein Eichhörnchen. Sie hätte ihn gern gefragt,
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