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Die Klinge

Titel: Die Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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wie weit es noch war, aber dann fiel ihr Tweeds Anweisung wieder ein, und sie verkniff sich die Frage.
    Der Wald wurde allmählich lichter. Sam bremste ab und bog auf einen Weg mit Rollsplitt ein. Vor ihnen öffnete sich eine Lichtung und gab den Blick auf eine kleine Anhöhe mit einem zweistöckigen Schindelhaus frei, das dringend einen neuen Anstrich benötigt hätte. Eine Holztreppe
führte hinauf zu einer Veranda, deren Holzgeländer an einigen Stellen kaputt war, und auf dem Dach fehlten mehrere Schindeln. Hinter den ungeputzten Fenstern im Erdgeschoss war Licht zu sehen. Wem immer dieses Haus gehört, er legt nicht viel Wert auf Äußerlichkeiten, dachte Paula. Sam hielt den Streifenwagen wenige Meter vor der wackeligen Holztreppe an und wurde auf einmal richtiggehend gesprächig.
    »Da drin finden Sie Deputy Parrish«, sagte er in schönstem Ostküstenslang. »Ich bezweifle aber, dass er Ihnen helfen wird. Gleich hinter der Polizeistation liegt übrigens das Meer. Hören Sie den Wind?«
    Paula fiel plötzlich ein merkwürdiges Rauschen in der Luft auf. Als sie zum Waldrand zurückschaute, bemerkte sie, dass die hohen Bäume im Wind schwankten. Ein beunruhigender Anblick.
    »Der Sturm rückt näher«, fuhr Sam fort. »Er soll ziemlich heftig werden. Hier in der Nähe hat sich übrigens vor kurzem ein grauenvoller Mord ereignet. Der Mörder hat seinem Opfer den Kopf abgeschnitten und den Rumpf dann ins Meer geworfen. Der Kopf ist bisher nicht gefunden worden.« Er gab ein seltsames Geräusch von sich, das sich beinahe wie ein Kichern anhörte. »Was der wohl mit dem Kopf vorhat? Vielleicht sammelt er ja so was. Aber ich muss jetzt wieder zurück. Andersen wartet schon auf mich.« Als die drei ausgestiegen waren, kurbelte Sam noch einmal das Fenster herunter. »Vielleicht kann Sie Jed, der Gehilfe von Parrish, wieder nach Portland zurückfahren.«
    »Hoffentlich«, sagte Paula eine wenig kleinlaut. Die beißende Kälte tat ihr beim Atmen in der Lunge weh.
    Der Wind frischte weiter auf, und Sam fuhr zu Paulas Verwunderung nicht sofort los, sondern wartete, bis sie am Fuß der Treppe standen. Dann aber gab er so kräftig Gas, dass der Rollsplitt unter den Reifen nur so wegspritzte, wendete den Wagen und raste davon. Jetzt wusste Paula,
weshalb er gewartet hatte. Er hatte ihnen die kleinen Steine nicht ins Gesicht schleudern wollen. Mit gemischten Gefühlen blickte sie den roten Rücklichtern hinterher. Auf einmal hatte sie das Gefühl, als ob sie von der zivilisierten Welt abgeschnitten wäre.
    »An die Arbeit«, sagte Tweed munter und energiegeladen. »Das Geländer ist sehr wackelig«, warnte er sie, als er die Stufen zur Veranda hinaufstieg und vor die Haustür trat. Er öffnete sie und trat ein. Paula bewunderte wieder einmal seine entschlossene Art.
    Hinter der Tür befand sich ein großer Raum mit Holzfußboden, wo ein etwas dicker, fünfzigjähriger Mann an einem alten Schreibtisch saß. Die in schweren Stiefeln steckenden Füße hatte er auf die Tischplatte gelegt. Der Mann hatte ungepflegtes, fettiges Haar, das in glänzenden Strähnen an seinem dicken Schädel klebte, und ein rotes Gesicht, dessen Farbe Tweed auf einige leere Bierflaschen neben dem Schreibtisch zurückführte. Kleine Schweinsäuglein funkelten hinterlistig über einer fleischigen Nase, und der Mund, unter dem ein enormes Doppelkinn wabbelte, war nur ein schmaler Strich. Der enorme Bauch des Mannes spannte sein schmutziges, rot kariertes Hemd bis zum Zerreißen und hing wie eine Kugel über den Hosengürtel.
    »Deputy Parrish?«, sagte Tweed, während Paula und Newman hinter ihm in das völlig überheizte, nach abgestandenem Bier stinkende Haus traten und die Tür schlossen.
    Der Mann führte die Bierflasche, die er in der rechten Hand hielt, an den Mund und trank sie aus. Dann knallte er die leere Flasche auf den Schreibtisch, nahm die Füße herunter und stand auf. Paula, der von der stickigen Hitze fast schwindlig wurde, sah, dass er einen Revolver am Gürtel trug. Sie zog die Handschuhe aus und grub ihre Fingernägel in die Handfläche. Der Schmerz half ihr, nicht in Ohnmacht zu fallen.

    »Yeah, ich bin Deputy Parrish«, sagte der Mann. »Und ich bin hier das Gesetz. Und Sie müssen dieser Tweed sein.«
    »Ja.« Tweed stellte seine Begleiter vor. Parrish würdigte Newman keines Blickes, beäugte dafür Paula aber umso mehr. Tweed trat näher an den Schreibtisch heran.
    »Sehen Sie den Stapel Feuerholz da drüben, Tweed?«, sagte

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