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Die Klingen der Rose: Ein unwiderstehlicher Schurke (German Edition)

Die Klingen der Rose: Ein unwiderstehlicher Schurke (German Edition)

Titel: Die Klingen der Rose: Ein unwiderstehlicher Schurke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Archer
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hielt die Seitenwand des Zeltes hoch und schob sie hinaus. Ihr Vater, Fraser und Chernock saßen Zigarren rauchend um ein Lagerfeuer. Die rotgoldenen Flammen warfen lange dämonische Schatten auf die Felsen. Eine albtraumhafte Kulisse, in der sie mit Sicherheit gefasst werden würden, entweder von ihrem Vater oder von den scheinbar nimmermüden Männern mit den Gewehren. Doch Day ergriff ihre Hand, verschränkte seine langen Finger mit ihren und zog sie mit sich in die Nacht hinaus. Wie Hades, der Persephone in die Unterwelt entführte. Niemand hörte sie. Erleichtert stieß sie die Luft aus.
    Die Mondsichel verwandelte die felsige Ebene von Delos in den Meeresboden. Sie und Day schienen durch die silbrige Luft zu schwimmen. Wenn sie eine Entfernung falsch einschätzte und mit ihren feinen unpraktischen Damenstiefeln stolperte, fing er sie geschickt auf. Sein Griff war fest und sicher. Trügerisch vertrauenerweckend. Ohne ihn würde die Strömung sie gewiss mit sich reißen, doch sie wünschte, sie fände selbst genügend Halt.
    Sie erklärte ihm flüsternd den Weg und rechnete jeden Augenblick damit, Schüsse und das Geschrei der Erben zu hören, die hinter ihnen herjagten. Doch die Nacht gehörte Day ganz allein. Vorbei an Relikten antiker Tempel, dem Torso einer Statue oder einer Ansammlung von Steinen, die eine lang verschwundene Straße markierten, glitten sie den Ruinen entgegen.
    »Da ist es«, flüsterte sie, als sie ihr Ziel erreichten.
    Wie weiße Knochen glänzten die Säulen in der ausgehobenen Grube. Day sprang in die Senke hinab. Dann legte er seine Hände um ihre Hüften und hob sie elegant nach unten. Dabei glitt ihr Körper an seinem entlang. Er fühlte sich noch ebenso kräftig und muskulös an wie sie ihn in Erinnerung hatte, trotzdem hatte sie das Gefühl, seine Kraft völlig unterschätzt zu haben. Als sich ihre Blicke begegneten, funkelten seine Augen in der Dunkelheit.
    Sobald sie mit den Füßen den Boden berührte, wich sie zurück. Neben ihm schien ihr jeder Raum zu klein.
    »Haben Sie eine Lampe dabei?«, fragte sie.
    »Etwas Besseres«, sagte er.
    Aus der Innentasche seiner Jacke holte er einen kleinen Messingzylinder hervor. In der Dämmerung erkannte London, dass sich darin zwei kleine Glaskammern befanden, zwischen denen ein winziger Hebel angebracht war. Die gläsernen Kammern enthielten eine Art Flüssigkeit, und als Day den Hebel drehte, flossen einige Tropfen von der einen Kammer in die andere. Er drehte den Hebel zurück und schüttelte den Zylinder. Daraufhin begann die gemischte Flüssigkeit in der einen Kammer in einem unheimlichen Grünton zu leuchten.
    London staunte. »Magie?«, fragte sie leise.
    »Reine Wissenschaft. Es ist aber nicht meine Erfindung. Sie stammt von Catullus Graves.«
    »Gehört er zu den Klingen?«
    »Er ist unser Genie.«
    Die seltsame Lampe tauchte die Grube in giftgrünes Licht und schuf eine unwirkliche Atmosphäre, in der die Säulen zu leuchten schienen. Das gespenstische Licht verwandelte Days feine Gesichtszüge in die Maske eines Kriegers. London hatte das Gefühl, in einem verlassenen Königspalast zu stehen. Day war ein entmachteter Herrscher, der seinen Thron zurückforderte. Sie erschauderte, dann rief sie sich ins Bewusstsein, dass der Mann, der da vor ihr stand, nichts weiter war als eben das – nur ein Mann.
    Mit dem Messingzylinder in der Hand trat er auf die Säulen zu. »Die Zeichen befinden sich auf allen Seiten.« Er berührte vorsichtig den Marmor und betastete die Inschrift.
    »Ja, aber egal, wie ich die Worte geordnet habe, sie ergeben keinen Sinn.«
    Mit nachdenklich zusammengezogenen Brauen trat Day zurück und ging im Uhrzeigersinn langsam um die Säulen herum. Er bewegte sich mit einer raubtierhaften Geschmeidigkeit, die London nicht übersehen konnte. Fast glaubte sie, er existiere nur, um sie zu quälen.
    »Was tun Sie?«, fragte sie.
    »Ich suche die richtige Perspektive.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Er antwortete, während er weiter um die Säule schlich. »Diese verfluchten alten Griechen …« Er ging ein Stück weiter. »Immer gibt es einen Haken. Sie machen es«, er trat noch einen Schritt zur Seite, »der Nachwelt nicht leicht. Optische Täuschungen mochten sie besonders gern. Moment … ja. Da!« Er blieb auf der anderen Seite der Säulen stehen. »Kommen Sie her und sehen Sie sich das an.«
    London eilte zu ihm. Gemeinsam blickten sie auf die Säulen. Sie hatte eine Offenbarung erwartet und wurde enttäuscht. »Ich

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