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Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Titel: Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Archer
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erstreckten sich bis zum Horizont und darüber hinaus. Die Männer ritten mit enormer Leichtigkeit. Es waren die besten Reiter, die Gabriel je gesehen hatte. Und dabei hatte er im Laufe der Jahre unglaublich geschickte Reiter erlebt. Der Bildausschnitt bewegte sich an der riesigen Armee entlang, bis er bei einem bewaffneten Mann anlangte, der, umgeben von Wachen und Feldherren, die Truppen anführte. Ein Mann mit funkelnden, intelligenten dunklen Augen, der seinen unbarmherzigen Blick über das Land schweifen ließ. Ihm entging nichts. Er nahm alles mit, das er für sein Reich gebrauchen konnte. Gabriels Herz zog sich zusammen. Die Macht des Mannes war unübersehbar.
    Unter den Stammesmitgliedern, die dem Schauspiel in der Wolke zusahen, machte ein Name die Runde. »Khan«, raunten die Hirten. »Dschingis Khan.«
    »Mein Gott«, stieß Thalia hervor. »Er ist es wirklich.«
    Gabriel schwieg überwältigt. Thalia, Batu, er selbst und die Angehörigen des Stammes sahen als Erste nach über sechshundert Jahren das Gesicht des Eroberers. Der Mann besaß eindeutig Autorität, die er mit großer Selbstsicherheit zur Schau trug. Und dennoch war dieser Khan nur ein Mann. Kein Mythos oder magisches Wesen, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, genauso angreifbar und empfindlich wie jedes andere Lebewesen.
    Doch Dschingis Khan wusste, wie man Kriege führte. Gabriel wurde Zeuge seines grausamen Wirkens, denn die Wolken aus dem Kessel zeigten rauchende Ruinen, die sich in die blühenden Orte, Dörfer und Städte verwandelten, die sie zuvor gewesen waren. Khans Armee wütete und plünderte erbarmungslos, ohne Rücksicht auf Menschenleben. Wenn eine Siedlung so dreist war, sich Khan zu widersetzen, fand sie ein grausames, blutiges Ende. Diejenigen, die sich unterwarfen, blieben verschont. Wer aufbegehrte wurde vernichtet. Beim Anblick dieser Szene schrien und weinten die Stammesmitglieder. Selbst Gabriel, der Situationen erlebt hatte, die die meisten Menschen in den Wahnsinn getrieben hätten, schnürte es die Kehle zu. Männer wurden in Stücke gerissen, Frauen und Kinder aufgespießt, Könige und Priester zu Tode gequält. Thalia presste ihr Gesicht an Gabriels Schulter und erschauderte. Er strich über ihren Kopf und tröstete sie, so gut er konnte. Das grausame Schauspiel wirkte noch schrecklicher, weil es rückwärts ablief – ein verstümmelter Körper verwandelte sich in einen Mann, der um sein Leben kämpfte.
    »Du hältst mich sicher für einen Feigling, weil ich nicht hinsehe«, stieß sie hervor.
    »Ich finde, es spricht für dich, dass du Tod und Leid verabscheust. Das ist doch keine Schande.« Er war froh, dass ihn eine solche Brutalität noch erschütterte. Wenn sie ihm nichts mehr ausgemacht hätte, fände er das beunruhigend.
    Nach Khans Sieg begann die Plünderung. Nicht nur von Schätzen und Waren, sondern auch von Menschen. Erfahrene Männer und Handwerker wurden als Gefangene mitgenommen. Und der Kessel reiste weiter mit der Armee. Vorbei an grasbewachsenen Steppen, bis das Gelände kahl und felsig wurde und der Wind über ausgetrocknete Ebenen fegte. Eine riesige erbarmungslose Wüste.
    »Die Wüste Gobi«, sagte Thalia, die den Kopf von Gabriels Schulter gehoben hatte. Glänzende feuchte Spuren verliefen durch ihr Gesicht, und er wischte sie sanft mit den Fingerspitzen fort. »Ich bin mit meinem Vater nur ein paarmal am äußersten Rand gewesen.«
    »Ein rauer Ort«, erwiderte Gabriel.
    »Aber das, was ich gesehen habe, war wunderschön.«
    Es stimmte. Auf ihre trostlose Art wirkte die Wüste schön. Auch dort lebten Menschen. Sie hüteten Schafe und Kamele mit kurzen Beinen. Khan ließ die einsamen Hirten, die an ihm vorbeizogen, in Ruhe. Die riesige Armee ritt durch die raue Wüste und legte Meile um Meile entlang der Grenze zwischen der Mongolei und China zurück, bis am Horizont eine felsige Bergspitze auftauchte. Dort oben stand ein von dicken Mauern umgebenes Gebäude mit den charakteristisch schrägen Keramikdächern chinesischer Tempel. Ein kaltes Gefühl breitete sich in Gabriels Magen aus. Mönche und fromme Männer waren Khans Soldaten nicht gewachsen.
    »Sieh nicht hin, Thalia«, befahl er leise.
    Sie fügte sich und drückte ihre geschlossenen Augen in seine Halsbeuge. Während er zusah, wie Dschingis Khans Armee einen Tempel voll buddhistischer Mönche abschlachtete, spürte er zugleich Thalias warmen Atem auf seiner Haut. Ein seltsames Erlebnis. Sie roch nach Gräsern und

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