Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
aus Angst vor dem Sturm losgerissen und galoppierte davon. Der Reiter des Kamels hatte sich in den Zügeln verfangen und wurde von dem in Panik flüchtenden Tier mitgeschleift. Thalia fasste sich erschrocken an den Hals. Wenn der Mann nicht in dem Sturm umkam, würde er daran sterben, dass er über den steinigen Boden gezerrt wurde. Hin- und hergerissen lugten Altan und seine Männer hinter ihren Kamelen hervor. Wenn sie versuchten, ihren Kameraden zu retten, gingen sie vermutlich hoffnungslos in dem wirbelnden Sand unter und riskierten ihr eigenes Leben.
Eine kräftige Hand legte sich auf Thalias Schulter und schob sie hinter das Kamel. »Rühr dich nicht von der Stelle«, zischte Gabriel ihr zu, bevor er davonrannte und im Sturm verschwand. Ihr blieb weder Zeit zu protestieren noch seinen Ärmel zu fassen. Schon riss der Sand ihn mit sich.
Er war ein hirnloser Idiot. Warum zum Teufel rannte er in einen Sandsturm, um einem Halunken das Leben zu retten, der ihm bei der erstbesten Gelegenheit den Hals aufgeschlitzt hätte? Aber er tat es. Gabriel hatte dafür gesorgt, dass Thalia in Sicherheit war. So weit funktionierte sein Gehirn noch. Dann stürzte er sich in den Sturm, der sich wie der Atem des Teufels anfühlte – heiß und brutal. Fähig, ihm die Haut von den Knochen zu reißen.
Nur die Wasserdämonen von Thors Hammer konnten es mit dem wirbelnden, heulenden Sand aufnehmen. Gabriel rannte blinzelnd in die rote Dunkelheit und versuchte, über den Wind hinweg die panischen Schreie des Mannes zu orten. Zum Glück hörte er gut. Da. Schwach und zunehmend schwächer. Gabriel folgte seinem Instinkt durch die beißende Leere und versuchte, sich dabei irgendwie auf den Beinen zu halten. Plötzlich tauchte das verschreckte Kamel vor ihm auf. Immer noch schleifte es den Reiter hinter sich her. Gabriel hatte keine Ahnung, in welchem Zustand sich der Mann befand. Vermutlich waren Gesicht und Rücken in Fetzen gerissen. Er hatte aufgehört zu brüllen. Kein gutes Zeichen.
Gabriel stürzte nach vorn und packte das Kamel am Sattel. Er grub seine Hacken in den Boden und riss es mit aller Kraft zur Seite. Das Kamel war jung, den Heiligen sei Dank, und relativ klein. Es stolperte, als Gabriel es festhielt. Ohne zu wissen, welche Schimpfworte er ausstieß, schrie er das Kamel an und zerrte es zur Seite, sodass es sich im Kreis drehte. Sobald das Kamel sein Tempo verlangsamte, zog Gabriel das Messer aus seinem Gürtel und hackte auf die Zügel ein, die den Reiter gefangen hielten.
Als das Kamel gerade zu dem Schluss kam, dass es genug herumgerannt war, kam der Mann frei und sackte in sich zusammen. Gabriel schlang einen Arm um ihn und stellte erleichtert fest, dass er zwar bewusstlos, doch noch am Leben war. Er legte seinen anderen Arm um den Hals des Kamels und zog das Tier nach unten. Taumelnd sank es auf den Boden.
Gabriel kauerte sich sofort neben das Kamel und brachte den bewusstlosen Mann ebenfalls hinter dem Tier in Sicherheit. Er zog den Mantel des Mannes nach oben und bedeckte sein Gesicht, bevor er das Gleiche bei sich tat. Und so kauerte er, wer weiß wie lange, wie eine riesige Schildkröte auf dem Boden, während der Sandsturm um ihn herum heulte und wütete.
Gabriel verlor jegliches Zeitgefühl und hörte nichts als seinen eigenen Atem und den tosenden Sand. Er wartete und wartete. Er hoffte inständig, dass Thalia klug genug war, den Sturm auszusitzen. Jesus, wenn ihr etwas zustieß … Nein, daran wollte er jetzt nicht denken. Sonst wäre er womöglich so dumm, im Sturm nach ihr zu suchen, und würde dabei entweder die Orientierung verlieren oder vom Sand begraben werden.
Nach Minuten, Stunden oder vielleicht auch Tagen beruhigte sich der Wind. Vorsichtig wickelte sich Gabriel aus seinem Tuch und hob den Kopf. Sand rieselte von seinen Schultern. Die wirbelnde Sandwolke zog sich zum Horizont zurück, dahinter kam die Sonne zum Vorschein. Gabriel untersuchte den Mann neben sich und stellte erleichtert fest, dass er bis auf ein anständiges blaues Auge und ein paar Schnitte im Gesicht relativ unversehrt geblieben war. Dieser Mistkerl schnarchte sogar vor sich hin.
»Wach auf«, knurrte Gabriel und schüttelte den Mann.
Der Kerl blinzelte und richtete sich langsam auf. Als er feststellte, dass er noch lebte, stieß er einen Schwall unverständlicher Worte aus und schlang seine Arme um Gabriel.
»Ich habe schon eine Liebste«, knurrte Gabriel und schob den Mann von sich. Er stand auf, und der Bandit tat es
Weitere Kostenlose Bücher