Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
Kloster als Ort für einen Aufstand gegen die Erben zur Verfügung stellten. Vorausgesetzt, die Mönche hießen sie bei sich willkommen und erklärten sich bereit, es mit den Erben aufzunehmen, eignete sich das Kloster von Sha Chuan Si allerdings hervorragend für diesen Kampf. Mit dem beeindruckenden Anblick des Wüstenklosters, das auf dem Gipfel eines breiten Berghangs lag, konnten weder die goldenen Tempel in Urga noch das geschäftige Anwesen von Erdene Zuu mithalten. Obwohl sich in der Nähe noch weitere Felsen erhoben, stand der Tempel allein – ein Monument menschlicher Zivilisation inmitten wilder Natur. Dunkel gestrichene Wände umgaben den Tempel, der von einem gewölbten chinesischen Dach gekrönt wurde. Ein hoher, runder Turm stand direkt hinter der vorderen Mauer, in die eine riesige, schwere Tür eingelassen war. Gabriel konnte keine Fenster darin entdecken. Sie wirkte undurchdringlich. Links und rechts davon fielen die Felsen steil ab.
»Ein guter Platz, um zu kämpfen«, sagte er zu Thalia und Altan.
»Hoffentlich ist der Empfang etwas weniger furchteinflößend als das Gebäude selbst«, antwortete Thalia.
»Sprichst du Chinesisch?«, fragte Gabriel.
»Ein bisschen.«
Gabriel wandte sich an Altan. »Und du und deine Männer?«
»Alles, was wir sagen können, ist: ›Lasst die Waffen fallen‹«, erwiderte Altan.
»Ich brauche dich als Übersetzerin«, erklärte er Thalia.
Sie konnten ihr Vorhaben schlecht leugnen. Als die Kamele den Hang hinaufstiegen und sich dem Eingangstor näherten, registrierte Gabriel, dass einige rasierte Köpfe sie über die Mauer hinweg beäugten. Bei der Waffenausstattung seiner Truppe konnte man sie nicht mit Pilgern verwechseln.
Als sie nur noch einige Dutzend Meter entfernt waren, stieg Gabriel von seinem Kamel. »Dich und deine Männer brauche ich hier unten«, erklärte er Altan.
Murrend gehorchte der Bandenchef.
Thalia und die Stammesangehörigen blieben dicht hinter ihm und stiegen ebenfalls von ihren Kamelen. Gabriel klemmte sich den eingewickelten Kessel unter den Arm, steckte den Rubin in die Tasche und legte eine Hand auf den Kolben seiner Pistole. Vielleicht nicht gerade eine freundliche Geste, doch wenn er auf diese Weise Leben retten konnte, machte er gern einen schlechten Eindruck.
Thalia ging neben ihm her auf das massive Tor zu. Er unterdrückte den Drang, ihre Hand zu ergreifen. Er musste auf alles gefasst sein, doch er wollte, dass sie sich dicht neben ihm hielt.
»Es ist sehr still«, murmelte sie. Ihre Stiefel knirschten laut auf dem Kies. »Müssen wir uns Sorgen machen?«
»Immer.«
»Das ist nicht sehr aufbauend.«
»Aber realistisch.«
Als sie sich dem massiven Holztor näherten, sah er, dass unten eine kleine Tür eingelassen war. Zweifellos, um das Betreten und Verlassen zu erleichtern. Es gefiel ihm nicht, direkt darauf zuzugehen. So machte er sich leicht angreifbar, aber ihm blieb keine andere Wahl. Als er sich gerade fragte, ob er klopfen sollte, ging die kleine Tür auf. Aber anstelle eines Mönches erwartete sie ein weißer Mann. In englischer Kleidung.
Gabriel zückte augenblicklich seine Pistole. Sie waren zu spät gekommen. Verdammt. Irgendwie hatten die Erben den Tempel vor ihnen erreicht.
Dann stieß Thalia einen Schrei aus und rannte auf den Mann zu. Jesus, wollte sie den Kerl etwa selbst erledigen? »Warte, verdammt!«, schrie Gabriel, aber sie stürzte sich auf den Engländer und schlang die Arme um ihn. »Geh aus dem Weg!«
Thalia blickte über ihre Schulter zu Gabriel, und das Lächeln auf ihrem Gesicht erstarrte. »Nimm die Waffe runter, Gabriel«, sagte sie bemüht ruhig. Sie nahm die Arme von den Schultern des Engländers. Gabriel bemerkte, dass weitere Männer durch die Tempeltür traten, konzentrierte sich jedoch weiterhin auf den Engländer. Dafür, dass eine Pistole auf sein hübsches Gesicht zielte, wirkte er erstaunlich gut gelaunt.
»Ein neuer Freund, Thalia?«, fragte der unbekannte Mann mit gehobener Braue.
»Wer zum Teufel sind Sie?«, fragte Gabriel.
Thalia zog den Fremden an der Hand mit sich und ergriff auch Gabriels Hand. So höflich, als befänden sie sich in einem Salon, sagte sie: »Bennett, darf ich dir Hauptmann Gabriel Huntley vorstellen, ehemaliges Mitglied des dreiunddreißigsten Regiments Ihrer Majestät. Gabriel, das ist Bennett Day, eine Klinge der Rose.«
»Es ist mir ein Vergnügen. Ganz bestimmt«, murmelte Day, als er ihm seine freie Hand entgegenstreckte, ohne Thalia dabei
Weitere Kostenlose Bücher