Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
Shun, der Abt, möchte einbezogen werden. Schließlich ist dies sein Kloster, und er weiß mehr über die Quelle als wir alle.«
»Die Erben sind nur noch einen Tag entfernt«, bemerkte Gabriel grimmig. »Und ich weiß nicht, ob wir richtig ausgerüstet sind, um sie besiegen zu können.«
»Hauptmann, es gibt etwas, das Sie wissen sollten.« Graves nahm seine Brille ab und säuberte sie sorgfältig mit einem edlen Batisttaschentuch, in das seine Initialen gestickt waren. »Ich bin durchaus einfallsreich.«
Thalia verfügte über keinerlei Erfahrung mit einem Kriegsrat, doch sie konnte sich schwer vorstellen, dass je eine erlesenere Auswahl an klugen Köpfen zusammengesessen hatte. Der Ort schien allerdings etwas ungewöhnlich. In buddhistischen Klöstern meditierte und betete man normalerweise friedlich, doch an ihrer Diskussion, die gerade in dem Tempel stattfand, wirkte nichts friedlich.
Statuen und Bilder von Buddha und seinen Schülern schauten gelassen und unbehelligt von weltlichen Dingen von ihren Altären auf den Rat herab, der in dem Vorraum seine Strategie besprach. Hsiung Ming übersetzte für Lan Shung, den Abt. Da Gabriel in die Unterhaltung involviert war, übersetzte Thalia sein Englisch für Altan. Catullus entwarf eine Skizze des klösterlichen Grundrisses, das aus einem Tempel, diversen Hallen, Höfen sowie kleineren Schlaf- und Meditationsräumen bestand. Die hohe, runde Pagode überragte mit ihren sieben Stockwerken die vordere Mauer. Selbst wenn sich Gabriel ganz offensichtlich nicht viel aus Bennett machte, hatte er seine negativen Gefühle beiseitegeschoben, damit sie die Aufstellung diskutieren konnten. Gabriel sprach nur von »Truppen«, was Altan störte. Ihm missfiel die Vorstellung, sich mit seinen Männern einer Armee unterzuordnen – für ihn ein Zeichen von Schwäche.
Ein technisch versierter Intellektueller, ein erfahrener Soldat, ein Codeknacker und hervorragender Stratege sowie ein chinesischer Gelehrter, ein buddhistischer Mönch, ein Bandenführer und eine Engländerin, die sich auf einem Pferderücken eher zu Hause fühlte als in einem Salon. Gemeinsam besprachen sie den Schlachtplan. Das klang wie der Anfang eines Witzes. Doch an der bevorstehenden Situation war nichts lustig. Die Erben erreichten sehr wahrscheinlich am nächsten Morgen das Kloster. In kaum mehr als zwölf Stunden.
Thalia blickte zu Gabriel, der intensiv mit Altan und Bennett diskutierte, und übersetzte vom Mongolischen ins Englische und wieder zurück. Konzentriert prüfte Gabriel sorgsam jeden Vorschlag und stellte seine eigenen Ideen vor. Seine Augen funkelten wie goldene Münzen. Als er auf der Karte des Klosters auf ein besonders zu beachtendes Gebiet deutete, beobachtete sie das Muskelspiel in seinem Arm. Das Schicksal ging seltsame Wege, ihr den Mann ihrer Träume in einem Moment zu schicken, in dem nichts sicher schien. Es blieb nur noch wenig Zeit. Ihr war klar, dass die bevorstehende Schlacht geplant werden musste, aber sie sehnte sich sehr danach, die letzten Stunden mit ihm allein zu verbringen.
Hin und wieder sah Gabriel zu ihr herüber, ihre Blicke begegneten sich, und sie sahen sich tief in die Augen. Die berauschende Kombination aus Sehnsucht und Zärtlichkeit überwältigte sie jedes Mal aufs Neue. Thalia wunderte sich, dass Gabriel überhaupt Eifersucht auf Bennett empfand, denn ihre Gefühle für Gabriel waren offensichtlich. Der geschliffene Charme von Bennett Day bedeutete ihr nichts, verglichen mit den echten Gefühlen, die sie bei diesem ungehobelten Soldaten erfahren hatte.
Die Kämpfer waren ihre Brüder, Gabriel ihr Herz.
»Sie werden versuchen, durch die Mauer einzudringen«, unterbrach Gabriel ihre Gedanken, »durch das Tor. Aber wir müssen auch damit rechnen, dass sie an den Mauern hochklettern.«
»Mit Steighaken?«, fragte Bennett.
»Wahrscheinlich. Sie haben keine Zeit, Belagerungstürme oder Leitern aufzubauen.«
»Vielleicht können wir die Leinen der Steighaken durchtrennen«, schlug Thalia vor. »Ich weiß allerdings nicht, womit.«
»Ich glaube, dafür habe ich eine Lösung, wenngleich sie sich nicht direkt auf das Durchschneiden der Seile bezieht«, sagte Catullus. Er zeichnete auf ein weiteres Stück Papier ein Diagramm und skizzierte rasch seine Idee. Alle hielten seine Erfindung für äußerst nützlich, und Hsiung Ming wies ein paar Mönche an, die Gerätschaften herbeizuschaffen.
»Meine Männer können sich auf der Mauer als Scharfschützen in Position
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