Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
Reiter blickte über seine Schulter zurück zu seinem Kameraden, der auf einem Kamel davonritt. »Er hat sie mit eigenen Augen gesehen, und sein Cousin ebenso. Es sind jetzt über hundert Mann. Es ist unmöglich, sie in der Ebene zu übersehen.«
Ja, in den riesigen Weiten hatte eine anrückende Armee keine Chance, sich zu verstecken. Und Gabriel war es seinerseits unmöglich, die Spuren seiner Truppe zu verbergen. Überall wirbelten sie Staub auf und hinterließen eine Fährte wie ein Lichtstrahl. Sie mussten sich den Erben in einem echten Kampf stellen. Er ließ seinen Blick über ihre Gruppe schweifen. Zwei Dutzend Banditen, die vier Männer von Bolds Stamm, Thalia und er selbst. Gegen mehr als hundert Mann auf der anderen Seite. Vielleicht kämpften die Mönche im Kloster, aber darauf konnte Gabriel sich nicht verlassen. Er hatte schon anderen Herausforderungen gegenübergestanden. Doch noch nie hatte er gegen einen Feind gekämpft, der ihm nicht nur zahlenmäßig überlegen war, sondern auch noch Magie als Waffe einsetzte.
»Und das Kloster?«
»Mein Verwandter sagt, dass es Sha Chuan Si heißt. Es liegt fünfzehn Meilen von hier entfernt.«
»Schaffen wir das?«, fragte Thalia. Sie versuchte, nicht besorgt zu klingen, was ihr jedoch überhaupt nicht gelang.
Er drehte sich zu ihr um, und da war er, dieser süße, stechende Schmerz, sie inmitten dieses Wahnsinns zu lieben. »Ja«, erwiderte er und musste daran glauben. »Aber wir müssen schnell reiten.«
»Ich dachte, das tun wir bereits«, sagte sie mit einem müden Lächeln.
»Verglichen mit dem, was vor uns liegt, war das ein Sonntagsspaziergang.« Als sie nickte, gab er seinem Kamel die Hacken. Altan und seine Männer folgten ihm.
Während sie ritten, malte sich Gabriel hundert verschiedene Szenarien aus: Dass die Erben sie unterwegs überfielen. Dass sie den Tempel erreichten, aber nicht hineinkamen. Dass sie hineinkamen, die Mönche sich jedoch gegen sie verschworen. Es gab unendlich viele Varianten. Und während er darüber nachsann, wie er Thalia bei alledem schützen konnte, zogen sich seine Eingeweide zusammen. Sie wäre nicht damit einverstanden, dass man sie einschloss, während um sie herum eine Schlacht tobte. Er liebte sie für ihren Kampfgeist, aber dadurch brachte sie sich in Gefahr.
Nein, er musste sich auf etwas anderes konzentrieren. Auf der Suche nach einer passenden Strategie ging er Belagerungen der Vergangenheit durch.
Der Mittag kam, und sie machten eine kurze Rast, damit sich die erschöpften Kamele etwas erholen konnten. Selbst diese widerstandsfähigen Tiere gerieten an ihre Grenzen. Eines war am Morgen bereits der Anstrengung erlegen. Ein Packkamel musste seinen Platz einnehmen. Nachdem alle schnell etwas gegessen hatten, stiegen sie wieder auf. Gabriel schätzte, dass sie über zehn Meilen zurückgelegt hatten.
»Es ist nicht mehr weit«, sagte er zu Thalia.
»Du bist durch und durch ein Optimist«, erwiderte sie.
»Wenn ich ein Optimist wäre, würde ich behaupten, dass es im Tempel wahrscheinlich fünfzig Kanonen und hundert Gewehre sowie ein riesiges Himmelbett gibt.«
»Ein Bett hilft uns nicht bei der Schlacht.«
»Ich denke an das Danach.«
Sie lächelte anzüglich und errötete. »Langsam finde ich Gefallen am positiven Denken.«
Als sie voranritt, gesellte sich Altan zu Gabriel. »Sind die meisten weißen Frauen wie sie?«, fragte der Bandenführer. »Wenn dem so ist, sollte ich mir vielleicht überlegen, in den Westen zu ziehen. Oder nach Russland.«
»Du wirst keine Frau wie sie finden«, erklärte Gabriel mit Nachdruck. Es gefiel ihm nicht, wie Altan Thalia ansah, weniger anzüglich als vielmehr forschend. Wenn es nach Gabriel ginge, würde er der ganzen verdammten Gruppe Scheuklappen verpassen.
»Das ist aber schade«, sagte Altan. »Ist sie zu verkaufen?«
»Wenn du nicht auf deine Eier aufpasst«, erwiderte Gabriel, »trägst du sie bald als Schmuck um deinen Hals.«
Altan lachte. »In Ordnung. Aber wenn du deine Meinung änderst … « Als Gabriel ihn ansah, sprach er den Satz nicht zu Ende. »Ach. Du meinst es wirklich ernst.«
»Sag das auch deinen Männern.«
»So, wie du sie ansiehst, haben sie das bereits verstanden.«
»Oh, Tenger sei Dank«, seufzte Thalia Stunden später. »Wir haben es geschafft.«
Gabriel zeigte sich nicht allzu erleichtert, als er den Blick über ihr Ziel gleiten ließ. Er bezweifelte, dass die Mönche sie überhaupt hereinließen. Und erst recht, dass sie ihnen ihr
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