Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
erstarrte er. Er gab einen gurgelnden Laut von sich, dann verstummte er und starrte mit leerem Blick zum blauen Himmel der Wüste Gobi hinauf. Thalia beobachtete ihn nüchtern, während das Blut aus ihren eigenen Wunden in den Staub sickerte.
Ein Söldner entdeckte Lambs Leiche und schrie. »Er ist tot! Der englische Anführer ist tot!« Andere Söldner, die in der Nähe standen, drehten sich daraufhin um. Sie tauschten Blicke untereinander. Kein Anführer bedeutete keine Bezahlung. Es gab keinen Grund, weiterhin ihr Leben zu riskieren. Wie blökende, verschreckte Schafe machten die Männer kehrt und rannten davon. Es dauerte nicht lange, und alle Söldner waren aus dem Kloster geflohen.
»Thalia!« Als sie Gabriels Stimme hörte, drehte sie sich um. Und da stand er, heil und ganz, und stürzte auf sie zu. Wie betäubt ließ sich Thalia von ihm in die starken Arme nehmen. Plötzlich realisierte sie, dass Lamb tot war und sie ihn getötet hatte. Doch noch mehr überraschte sie, dass sie sich darüber freute.
Dann umarmte sie Gabriel fest. Lamb war tot, und Gabriel lebte. Tränen liefen ihre Wangen hinunter. »Ich wollte dir helfen«, flüsterte sie. »Ich habe gesehen, wie Tsend dich angegriffen hat, aber ich konnte nicht zu dir kommen.«
»Er ist genauso tot wie Lamb«, sagte Gabriel, drückte sie an sich und wiegte ihren Kopf.
»Was ist mit Edgeworth?«
»Er ist weg«, sagte Catullus. Er und Hsiung Ming schritten blutbespritzt, aber weitestgehend unverletzt auf sie zu. »Ich habe gesehen, wie er getrocknete Blumen in ein Feuer geworfen hat, dann ist er hineingetaucht und verschwunden. Irgendein Transportmittel, nehme ich an. Aber ich weiß nicht, wohin er verschwunden ist.«
»Er soll zum Teufel gehen«, brummte Gabriel. Sie spürte, dass er zitterte, und umarmte ihn fester. Am liebsten wäre sie in ihn hineingekrochen, um sich von seiner Unversehrtheit zu überzeugen. Sie waren alle hier, alle sicher bis auf …
»Oh, Gott«, schrie Thalia. Sie blickte zur Pagode, die wie durch ein Wunder immer noch stand. »Bennett!«
Von oben bis unten mit rotem Staub bedeckt, tauchte er im Eingang der fast zerstörten Pagode auf. Er klopfte sich die Ärmel ab, wischte sich das Gesicht ab und trat leicht humpelnd heraus.
»Wenn einer von euch vorhat, jemals mit einem Golem zu kämpfen«, hustete er, »rate ich dringend davon ab. Das ist schlimmer als eine Horde Nonnen.« Bennett hielt den Davidstern in seiner geschundenen Hand. »Ich glaube, man muss ihm demjenigen zurückgeben, dem er ihn gestohlen hat.«
Thalia blickte in Gabriels Gesicht und bemerkte, dass er Bennett mit neuem Respekt musterte. Ja, Bennett war ein unverbesserlicher Schürzenjäger, aber auch ein Kämpfer. Sie alle waren Kämpfer – Gabriel, die Klingen der Rose, die Mönche, die Banditen und auch die Stammesbrüder. Sie selbst eingeschlossen. Davon würden bald ihre Narben zeugen.
Es herrschte ein verdammtes Durcheinander. Im Hof des Klosters kümmerten sich die Mönche um die Verwundeten. Einige Gebäude waren zerstört, und Kamele sowie Pferde liefen frei umher. Nachdem seine eigenen Wunden verbunden waren, kümmerte sich Altan um seine Männer. Die Szenerie unterschied sich nicht sehr von der nach zahlreichen anderen Schlachten, aber aus vielen Gründen war es doch anders. Bis zum heutigen Tag hatte Gabriel noch nie gesehen, wie ein Drache aus Dampf wieder in einen Teekessel gesperrt wurde. Und er hatte auch nie zuvor einen Riesen aus Ton und ein flammenwerfendes Gewehr gesehen.
Die Frau, die er heiraten wollte, ließ, nachdem sie um ihr Leben gekämpft hatte, ihre Wunden behandeln.
Geduldig und klaglos ertrug Thalia, dass Lan Shun einen Breiumschlag auf den Schnitt an ihrem Hals und die tiefe Wunde in ihrer Hand legte. Gabriel konnte den Anblick ihrer Verletzungen kaum ertragen. Jedes Mal, wenn er die Krusten auf ihrer Haut sah, wollte er Lamb wieder zum Leben erwecken, um die hochwohlgeborene Made selbst zu vernichten. Aber Thalia, ihrem mutigen Herzen sei Dank, hatte diese Aufgabe bereits erledigt. Gabriel gab sich damit zufrieden, im Innenhof des Tempels Thalias unverletzte Hand zu halten. Er hatte nicht vor, sie so bald wieder loszulassen.
»Wird Edgeworth mit weiteren Erben zurückkommen?«, fragte Thalia Graves, der in der Nähe kritisch den verbogenen Bügel seiner Brille untersuchte.
»Das bezweifle ich. Er weiß bereits, dass man nicht ohne einen heftigen Kampf an die Quelle gelangt. Dieser Kampf hat bereits einen Erben das Leben
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