Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
noch nicht.« Gabriel ließ sie los und trat zu den Klingen der Rose. Obwohl sie angeblich fasziniert die Tempelmauern betrachtet hatten, lächelten sie ihn allesamt an. Diese Lauscher. »Ich auch«, sagte Gabriel.
»Was du auch?«, fragte Graves.
»Ich will auch eine Klinge der Rose werden. Ich denke, das habe ich mir verdient.«
Überrascht zuckte Thalia hinter ihm zusammen, während Graves, Day und Hsiung Ming sich ansahen. »Du musst dir sicher sein«, sagte Day ernst. »Das darf nicht nur irgendeine Laune sein, Huntley. Du hast eine lebenslange Verantwortung.«
»Erzähl mir nichts von Verantwortung, Kumpel«, knurrte Gabriel. »Ich weiß, was mir wichtig ist. Nämlich Thalia. Ihre Sache ist meine. Und ich werde bis zu meinem letzten verdammten Atemzug für sie kämpfen.«
»Wenn du sicher bist«, sagte Graves nach einem Augenblick.
Mit zusammengebissenen Zähnen entgegnete Gabriel: »Ich könnte nicht sicherer sein. Wenn ihr wollt, dass ich blute, tue ich es.« Er zog das Messer aus seinem Gürtel, legte es auf seinen Unterarm und wollte sich schon schneiden, als Thalia aufschrie.
Day legte seine Hand auf den Messergriff und hielt Gabriel zurück. »Das ist nicht nötig. Die Klingen verlangen keinen Blutschwur.«
»Gott sei Dank«, sagte Thalia, kam zu ihnen und legte einen Arm um Gabriels Taille. Sie lächelte ihn an, und in ihrem Gesicht fand er alles, was er je in seinem Leben gewollt hatte. Und mehr. So viel mehr. »Ich glaube, für heute haben wir genug Blut gesehen.«
»Wenn ihr uns ein paar Minuten gebt«, sagte Hsiung Ming, »bereiten wir die Aufnahme vor.« Er und die beiden anderen Klingen entschuldigten sich leise und stahlen sich davon.
Nachdem sie gegangen waren, verließen Thalia und Gabriel den Tempel. Sie sprachen nicht darüber, wohin sie gingen. Sie kannten ihr Ziel. Sie hielten sich an den Händen und stiegen die Stufen zu dem Geländer an der Klostermauer hinauf. Von ihrem Ausguck konnten Gabriel und Thalia das gesamte Kloster überblicken, das von der Schlacht gezeichnet war. Das Tor war zertrümmert, die Pagode musste wieder aufgebaut werden, und einige andere Gebäude zeigten Risse und Sprünge in den Mauern. Das Kloster würde instand gesetzt werden und der Quelle für weitere Jahrhunderte als Schutz dienen. Aber das Schlachtfeld fesselte ihre Aufmerksamkeit nicht lange.
Sie blickten hinaus auf die Wüste Gobi, die in der Nachmittagssonne lag. Der Himmel über ihnen wirkte wie ein kaltes blaues Feuer. Gabriel fühlte Thalias warmen Körper neben sich, schloss die Augen, spürte, wie der trockene Wind über sein Gesicht strich und roch die feste Erde. Wie ein Pulsieren spürte er über allem die Kraft der Quelle, nicht nur hier im Kloster, sondern überall auf der Welt. So etwas hatte er vorher nicht wahrgenommen. Dafür hatte Thalia ihn sensibilisiert.
»Ja«, erklärte sie leise. »Ich will dich heiraten.«
Er lachte und empfand so viel Glück, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Er öffnete die Augen und führte ihre Hand an seine Lippen. »Ein guter Wind hat mich vor deine Tür geweht«, sagte er.
»Glaubst du, dass uns Magie zusammengeführt hat?«, fragte sie und lehnte den Kopf an seine Schulter. Er roch den Rauch in ihren Haaren und darunter den süßen Duft ihrer Haut.
»Krieger wie wir brauchen keine Magie«, sagte er. Er drehte sich zu ihr um, schloss sie in die Arme und blickte in ihr staubiges, müdes Gesicht. Es war so reizend, dass es ihn fast schmerzte. »Wir schaffen unsere eigene Magie.«
Epilog
DER VORTEIL DES WINTERS
Die Kugel zischte an Thalias Ohr vorbei und versank hinter ihr im Schnee. Eine kleine Eisfontäne stob nach oben. Thalia kauerte hinter dem Zaun einer Schafweide, und als die Russen das Feuer kurzzeitig unterbrachen, erhob sie sich etwas, zielte und schoss. Irgendjemand fluchte auf Russisch, und sie lächelte vor sich hin.
»Hast du ihn erwischt?«, fragte Gabriel, der neben ihr hockte. Als sie nickte, grinste er. »Was für ein Mädchen.«
»Das letzte Mal, als ich nachgefragt habe, war ich deine Frau, kein Mädchen.«
Er beugte sich vor und küsste sie. »Du bist beides.« Es folgte eine weitere Gewehrsalve, die den Holzzaun über ihren Köpfen zerfetzte. Zum Glück kauerten sich die Schafe weit entfernt von der Gefahr auf der Weide aneinander und blökten vorwurfsvoll. Während Thalia nachlud, schoss Gabriel auf die Bande aus fünf Russen, die es auf den Rubin abgesehen hatten. Ein Schrei ertönte.
»Schulter?«, fragte Thalia, als
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