Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
die Klingen der Rose, sondern um Thalia. Dieser Gedanke trieb ihn an.
Wie ein aufgescheuchter Vogelschwarm wirbelten die Wettkämpfer über die Steppe. Der Rest der Rennstrecke bestand aus flacher Steppe. Bis zu den in der Ferne sichtbaren Gers lag ein heftiger Sprint vor ihnen. Gabriel richtete sich in den Steigbügeln auf, und das Pferd spürte sein Drängen. Die anderen Pferde ringsum spornten es nur noch mehr an. Es legte die Ohren an und streckte den Hals, sein sandfarbenes Fell war schweißbedeckt. Tsend schaffte es, mit Gabriel gleichzuziehen. Der Mongole hatte mit der Gerte so heftig auf sein Pferd eingedroschen, dass sich an den Flanken rote Striemen zeigten.
Wütend ritt Tsend auf ihn zu. Gabriel sah den Schlag kommen, hielt sich schützend den Arm vor das Gesicht und fing die Gerte mit dem Unterarm ab. Tsend schlug wieder und wieder zu und schleuderte Gabriel mit seinen kraftvollen Hieben beinahe aus dem Sattel. Als der Lederriemen den Stoff seines Jacketts zerriss und seine Haut verwundete, verzog er vor Schmerz das Gesicht. Durch die Attacken fiel sein Pferd zurück. Gabriel fluchte. Weitere Reiter zogen an ihm vorbei. Entweder konnten oder wollten sie ihm nicht helfen. Gabriel musste handeln.
Das nächste Mal, als Tsend mit der Gerte zuschlug, gelang es ihm, die Peitsche festzuhalten. Der mongolische Söldner und der britische Soldat hingen über der unter ihnen vorbeirasenden Steppe und zerrten von beiden Seiten wie wild an der Gerte. Gabriel hatte das Gefühl, ihm würde der Arm herausgerissen. Knurrend zerrte er noch einmal mit aller Kraft an der Gerte. Tsend schrie auf, die Peitsche flog durch die Luft und landete irgendwo in der Steppe hinter ihnen.
Gabriel verschwendete keinen weiteren Gedanken an die Peitsche oder an den fluchenden Mongolen. Er befand sich ein paar hundert Yards vor der Ziellinie und konnte bereits das Grölen der Zuschauer hören. Noch lagen zehn Reiter vor ihm. Schon im nächsten Augenblick konnte das Rennen verloren sein. Er drückte seine Fersen in die Seiten des Pferdes. Offenbar wollte das Tier ebenfalls gewinnen und preschte vorwärts.
Während Gabriel die Lücke zwischen sich und seinen Mitstreitern schloss, glitten die Schatten der anderen Reiter an ihm vorbei. Er sah weder nach links noch nach rechts und blickte sich auch nicht um. Er fixierte einzig das blaue Seidenband, das die Ziellinie markierte. Der Wind strich kühl über den Schweiß, der seinen Rücken hinunterrann. Das Ziel rückte näher. Und näher. Er spürte, wie ihm und seinem Pferd langsam die Kräfte schwanden. Jetzt musste er seinem Tier mit der Gerte einen Schlag auf die Flanke versetzen. Das Tier ging durch und mobilisierte die letzten Kraftreserven, die Gabriel das Rennen über sorgfältig geschont hatte. Als er sich der Ziellinie näherte, konnte er im Gebrüll der Zuschauer einzelne Stimmen unterscheiden. Und mitten unter ihnen schrie Thalia auf Englisch: »Gut so, Gabriel!«
Mehr als ihre Stimme brauchte er nicht. Mit einem letzten Stoß drängte er über die Ziellinie. Blaue Seide blitzte auf und lag auch schon hinter ihm. Die Menge schrie. Es war vorbei. Er hatte die Ziellinie überquert, wusste jedoch nicht, welchen Platz er erreicht hatte. Hatten andere Reiter ihn in letzter Minute überholt?
Gabriel drosselte das Tempo des Pferdes, bis es im Schritt ging. Er wendete das Pferd, doch die Reiter hatten so viel Erde aufgewirbelt, dass er unmöglich etwas erkennen konnte. Er blinzelte gegen den gelben Staub an.
Wie ein Geist tauchte auf einmal Thalia vor ihm auf und rannte auf ihn zu. Ohne einmal anzuhalten, drängte sie sich an den aufgeregten Pferden vorbei und strahlte so, dass seine Augen brannten. Er hatte sie glücklich gemacht.
»Du hast es geschafft«, schrie sie. »Zweiter! Wunderbar, Gabriel!«
Er beugte sich herunter, legte einen Arm um ihre Taille und zog sie nach oben, sodass ihre Hüften sich berührten. Und dann küsste er sie. Leidenschaftlich.
Zunächst wirkte sie überrascht und hielt die Hände wie Vögel in die Luft, doch dann packte sie ihn und erwiderte seinen Kuss mit der gleichen Leidenschaft. Nach dem Rennen donnerte sein Herz bereits wie schwere Artillerie. Aber jetzt hatte er das Gefühl, unter seinen Rippen würden sämtliche Kanonen der britischen Armee abgefeuert. Die Aufregung des Rennens war nichts verglichen mit dem Gefühl, Thalia in den Armen zu halten und sie zu küssen.
Als sie seine Oberarme ergriff und die frischen Schnitte von Tsends Reitgerte
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