Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
zu Thalia. Sie hatte ihn ebenfalls erkannt und machte mit überraschter, wütender Miene einen Schritt auf ihn zu, als wollte sie den bösen Mongolen persönlich niederringen. Doch Tsend reagierte bloß mit einem kühlen Lächeln. In Gabriel stieg heftige Wut auf. Nicht nur dass Tsend Thalia lüstern angaffte, dieser Mistkerl kämpfte auch um den Rubin. Wahrscheinlich war das leichter als der Versuch, ihn dem Stamm mit Hunderten von Mitgliedern zu stehlen. Er wollte die Quelle gewinnen und sie den Erben überreichen.
»Von wegen. Zum Teufel«, murmelte Gabriel. Er begann, sein Pferd in Tsends Richtung zu lenken. Vielleicht konnte er ihn niederschlagen. Doch plötzlich ertönte ein Schrei von Bold, und das Rennen begann.
In der Armee wurde nicht jeden Tag gekämpft. Es konnte durchaus vorkommen, dass einige Monate nichts geschah. Dann mussten die Soldaten für Unterhaltung sorgen oder einen anderen Weg finden, nicht vor Langeweile durchzudrehen. Pferderennen gehörten zu den zahlreichen Ablenkungen, die sie sich ausgedacht hatten, und Gabriel hatte häufig teilgenommen und gewonnen.
Doch keines der Rennen reichte an die Bedeutung und den Ernst dieses Rennens heran. Nur die ersten acht Reiter rückten in die nächste Runde des Turniers vor, und Gabriel musste dazugehören.
Die Reiter jagten mit donnernden Hufen über die Felder und wirbelten riesige Staubwolken auf. Gabriel neigte sich tief über den Hals seines Pferdes. Der erste Teilabschnitt des Rennens verlief über eine relativ flache Ebene, eine halbe Meile nichts als Steppe. Gabriel presste die Fersen in die Seiten des Hengstes und ließ die Gerte leicht auf der Flanke ruhen. Er wollte das Pferd nicht zu schnell ermüden, musste sich jedoch früh an die Spitze setzen, um sich rechtzeitig von der Masse der Reiter zu lösen.
Er riskierte einen kurzen Blick über seine Schulter und stellte fest, dass bereits die Hälfte seiner Mitstreiter zurückgefallen war. Doch fast zwei Dutzend Reiter jagten noch hinter ihm her und schlugen dabei heftig auf ihre Pferde ein. Unter ihnen Tsend.
Sie durchquerten einen Fluss. Einen kurzen Augenblick fragte sich Gabriel, ob die Erben vielleicht weitere Wasserdämonen herbeirufen würden, um die Reiter aus dem Sattel zu werfen. Doch schon bald hatten sie den Fluss passiert. Die flache Steppe ging langsam in Hügelland über; dort wuchsen vereinzelt Birken. Gabriel lenkte sein Pferd durch die Bäume und wich den Hindernissen geschickt aus. Den Geräuschen nach zu urteilen – Pferdewiehern und Männerschreie, gefolgt von Stürzen – , waren andere Reiter nicht so vorsichtig.
Er duckte sich unter einem tief hängenden Ast hindurch und spürte, wie ein paar Zweige seinen Hut streiften, sodass er ihn beinahe verloren hätte. Aus dem Augenwinkel sah er, dass einige Reiter geschickt mit ihm Schritt hielten. Darunter Tsend. Irgendwie hatte der Mongole ein Pferd gefunden, das groß genug für ihn war. Gabriel, der seinerseits ungelenk mit angewinkelten Knien auf seinem Pferd saß, wünschte, dass er das von sich ebenfalls behaupten könnte.
Abrupt wichen die Hügel und Bäume einem steilen, felsigen Abgrund. Einige Pferde und Reiter stürzten, als Felsen plötzlich ihren Weg blockierten. Ein Paar überschlug sich sogar ganz. Beinahe hätte Gabriel sein eigenes Tier gewendet, um ihnen zu helfen, sah jedoch, dass das Pferd augenblicklich wieder aufstand und davontrabte und der benommene Reiter sich auf die Füße hochrappelte.
Während das Pferd den Hang hinunterwankte, lehnte sich Gabriel im Sattel zurück. Ohne strenge Führung wäre das Pferd planlos und übermütig den Hang hinuntergaloppiert. Gabriel hatte es fest im Griff, führte das Tier sorgsam um felsige Hindernisse herum oder trieb es an, über kleinere hinwegzuspringen. Der klare blaue Himmel schien nach ihm zu greifen, während der Wind seinen Körper umfing. In solchen Momenten erfüllte ihn ein unendliches Glücksgefühl. Sein Körper und sein Geist pulsierten vor Leben, und er lachte laut auf.
Er nutzte das Gefühl und konzentrierte sich darauf, sich mit seinem Pferd an die Spitze der Reiter zu setzen. Der steinige Abhang endete und erstreckte sich erneut zur Steppe. Es war an der Zeit, alles aus dem Pferd herauszuholen und das Rennen zu beenden. Gabriel zählte rasch elf andere Reiter, einer davon Tsend. Mindestens drei der Reiter durften die Ziellinie nicht vor Gabriel überqueren, sonst war der Kampf verloren. Hier ging es nicht nur um den Rubin, nicht bloß um
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