Die Klinik
Sohns, kaute, trank und schluckte und dachte an viele Dinge und beobachtete das regelmäßige, ruhige Heben und Senken von Miguels Brust beim Atmen. Die Ähnlichkeit des Kindes mit der Señora war in dem Zwielicht besonders stark.
Etwas später überließ er die Wohnung den jungen Verliebten und kehrte ins Krankenhaus zurück.
Früh am nächsten Morgen machten Dr. Kender und Lewis Chin Mrs. Bergstrom auf und entfernten das Stückchen verdorbene Fleisch, das einst Peggy Welds Niere gewesen war. Sie brauchten keinen Pathologiebericht, um zu wissen, daß das verwüstete Organ von Mrs. Bergstroms Körper zur Gänze abgestoßen worden war.
Nachher saßen sie alle im Aufenthaltsraum der Chirurgen und tranken bitteren Kaffee.
»Was jetzt?« fragte Harry Lee.
Kender zuckte die Achseln. »Das einzige, das uns bleibt, ist, es wieder mit der Niere einer Leiche zu versuchen.«
»Man wird es Mrs. Bergstroms Schwester sagen müssen«, sagte Rafe.
»Ich habe es ihr bereits gesagt«, sagte Kender.
Als Rafe den Aufenthaltsraum verließ und in Peggy Welds Zimmer kam, traf er sie beim Packen an.
»Sie verlassen das Krankenhaus?«
Sie nickte. Ihre Augen waren rot, aber ruhig.
»Dr. Kender sagte, ich brauchte nicht länger zu bleiben.«
»Wohin gehen Sie?«
»Nur nach Lexington. Ich werde Boston erst verlassen, bis meine Schwester diese Sache hinter sich gebracht hat. So oder so.«
»Ich möchte Sie gern irgendwann einmal am Abend sehen«, sagte er.
»Sie sind verheiratet.«
»Wieso wissen Sie das?«
»Ich habe gefragt.« Er schwieg.
Sie lächelte. »Sie versteht Sie vermutlich nicht.«
»Ich verstehe sie nicht.«
»Nun, das ist nicht mein Problem.«
»Nein.« Er sah sie an. »Tun Sie mir einen Gefallen?« Sie wartete.
»Verwenden Sie weniger Make-up. Sie sind sehr anziehend. Es tut mir leid wegen der Niere. Es tut mir leid, wenn ich es war, der Sie dazu überredet hat, sie zu spenden.«
»Mir auch«, sagte sie. »Aber es täte mir nicht leid, wenn sie nicht abgestoßen worden wäre. Daher brauchen Sie sich nicht länger schuldig zu fühlen, weil ich meine Entscheidungen selbst treffe. Auch über mein Make-up.«
»Kann ich irgend etwas für Sie tun?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe mir die Dinge ganz gut zurechtgelegt.« Sie tätschelte seine Hand und lächelte.
»Doktor, eine Frau, die nur eine Niere hat, kann es sich nicht leisten, nach jedem Mann zu greifen, der mit ihr herumspielen will.«
»Ich will nicht herumspielen«, sagte er nicht überzeugend. »Ich möchte Sie kennenlernen.«
»Wir haben nichts gemeinsam.« Der Koffer schnappte mit einem harten, entscheidenden Knacken zu.
Er ging in sein Büro und rief Liz an.
»Wie schade, daß ich dich gestern abend verfehlt habe«, sagte sie.
»Hast du das Abendessen genossen?«
»Ja, aber es war zu dumm. Ich habe die Verabredungen verwechselt. Ich war gar nicht mit Onkel Harland zum Abendessen verabredet.«
»Ich weiß«, sagte er. »Was hast du unternommen?«
»Ich rief schließlich Edna Brewster an. Zum Glück mußte Bill bis spät abends arbeiten, daher aßen wir beide bei Charles und saßen dann in ihrer Wohnung herum und haben den neuesten Klatsch ausgetauscht. Kommst du nach Hause?«
»Ja«, sagte er.
»Ich sage es Miguel.«
Er räumte seinen Schreibtisch auf, schloß die Tür und zog sich um. Dann setzte er sich und suchte Edna Brewsters Nummer im Telephonbuch.
Sie war Liz’ Freundin, nicht seine, und sie war verblüfft, aber erfreut, von ihm zu hören.
»Ich habe versucht, mir zu Weihnachten für Liz etwas Besonderes auszudenken«, sagte er. »Ihr Mädchen habt ja alles.«
Sie stöhnte. »Ich bin die Ungeeignetste, zu der man um Geschenkvorschläge kommen könnte.«
»Keine Vorschläge. Halten Sie nur Ihre Ohren offen, wenn Sie mit ihr beisammen sind. Versuchen Sie herauszufinden, ob es etwas gibt, das sie wirklich gern hätte.«
Sie versprach getreulich zu spionieren, und er dankte ihr.
»Wann sehen wir Sie beide einmal? Liz sagte erst unlängst, sie hätte Sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.«
»Seit Monaten. Ist das nicht schrecklich?« sagte sie.
»Anscheinend hat man nie Zeit, die Leute zu sehen, die man wirklich sehen möchte. Spielen wir doch einmal eine Partie Bridge! Sagen Sie Liz, daß ich sie anrufe.« Sie kicherte. »Wenn ich es mir genauer überlege, sagen Sie ihr lieber nicht, daß wir miteinander gesprochen haben. Es bleibt unser Geheimnis. Einverstanden?«
»Einverstanden«, sagte er.
11
A D AM S I L
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