Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
Schlafzimmer unten bei der Halle lagen und Guillermo nebenan schlief.
    Der Summer am Herd der Bostoner Wohnung weckte sie gleichzeitig, die schlafende Traumfamilie und den Mann, dessen Frau aus Fleisch und Blut aufsprang, um die Herduhr abzudrehen, bevor diese ihren Sohn störte.
    Meomartino blieb auf dem Sofa liegen.
    Der Fernsehapparat brachte noch immer Nachrichten, und er beobachtete einen dreizehnjährigen Südvietnamesen, der von einem amerikanischen Infanterieregiment gegen den Wunsch seiner Eltern adoptiert worden war. Die Soldaten hatten dem Jungen Zigaretten und Bier und ein Gewehr gegeben, und er hatte bereits zwei Vietkong getötet.
    »Was für ein Gefühl war es, zwei Menschen zu töten?«
    »Ein gutes Gefühl. Sie waren schlecht«, sagte der Junge, obwohl er seine zwei erschossenen Landsleute erst knapp vor dem Abdrücken gesehen hatte, als er das automatische Gewehr abfeuerte; es war so konstruiert, daß es reibungslos und ohne Rücksicht auf die Mentalität des Benutzers arbeitete.
    Rafe stand auf und stellte den Apparat ab.
    Sie weiß nicht das geringste von mir, dachte er. Manchmal träumte er jetzt wieder vom Krieg.
    Die Albträume begannen immer mit der Schweinebucht und betrafen auch Guillermo, aber gewöhnlich endeten sie in Vietnam. Als eingebürgerter Staatsbürger und Arzt würde ihn der Einberufungsbefehl erreichen, sowie er das letzte Jahr der Facharztanwartschaft beendet hatte, und viele der jungen Doktoren, die im vergangenen Jahr am Krankenhaus gewesen waren, dienten jetzt in Vietnam. Einer war schon getötet und einer verwundet worden. Das war ein Krieg, der keinen Respekt vor Ärzten hatte, überlegte er düster. Statt rekrutierter Medizinstudenten waren Fachchirurgen an die Front geschickt worden, und die Krankenhäuser in Saigon waren genauso exponiert wie die Truppenverbandplätze.
    Seine Frau hatte teilweise recht, entschied er. Er war tatsächlich stärker geworden.
    Denn nunmehr stellte er sich mutig der Tatsache, daß er ein Feigling war.
     
    Es war sehr ungewöhnlich. Der Brief enthielt nur eine Zeile:
    »Sind Sie zum Mittagessen frei?« Er war mit »Harland Longwood« unterzeichnet. Kein Titel. Wenn es eine berufliche Angelegenheit betroffen hätte, wäre unter der Unterschrift säuberlich »Chefchirurg« getippt gewesen. Das hieß, daß die Zusammenkunft wahrscheinlich irgend etwas mit Liz zu tun haben würde. Das einzige persönliche Thema, das Rafe mit dem Onkel seiner Frau erörterte, war seine Frau.
    Er sprach im Vorbeigehen im Büro des Alten vor und sagte der Sekretärin, er stehe für das Mittagessen zur Verfügung. Er hatte nur einmal mit Dr. Longwood allein gegessen, fünf Tage vor seiner Hochzeit mit Liz. Sie waren in die Herrenbar des Locke-Ober gegangen, wo Dr. Longwood inmitten von Zinngeschirr und poliertem Mahagoni ihm taktvoll und mürrisch nahezulegen versuchte, daß Liz zwar viel zu gut für einen Ausländer sei, trotzdem nicht unproblematisch war, Alkohol, Sex und anderes, das er bloß andeutete, und Dr. Meomartino würde allen Beteiligten, besonders aber sich selbst einen großen Gefallen erweisen, wenn er seine Besuche sofort einstellte.
    Und so heirateten sie.
    Diesmal nahm ihn Longwood zu Pier Four mit. Die Krabben in den weichen Schalen waren sehr gut. Der Wein war mild und hatte genau die richtige Temperatur. Er half Rafe durch das mühsame Einleitungsgeplauder.
    Beim schwarzen Kaffee, den er allein trank, riß ihm die Geduld. Er sah Longwood fest an.
    »Was haben Sie auf dem Herzen?«
    Dr. Longwood nahm einen kleinen Schluck Brandy. »Ich möchte gern wissen, wohin Sie nächstes Jahr gehen.«
    »Vermutlich in die Privatpraxis. Wenn ich durch ein Wunder der Armee entgehe.«
    »Ihre Frau ist eine Frau mit Problemen. Sie braucht einen Halt«, sagte Longwood.
    »Das weiß ich.«
    »Sie haben für das kommende Jahr noch keine Maßnahmen getroffen?«
    Diese Frage verriet Rafe sofort den Grund der Einladung zum Mittagessen. Der alte Mann fürchtete, daß er Liz und den Jungen um die halbe Welt entführen würde.
    Longwood sah jetzt wirklich sehr krank aus, dachte er mitleidig. Er wandte den Blick ab und ließ ihn über das gut besuchte Restaurant gleiten. »Ich habe noch keine Maßnahmen getroffen, obwohl es vermutlich an der Zeit ist, daß ich damit beginne. Boston ist mit Chirurgen überfüllt, und wollte ich hier eine Praxis eröffnen, müßte ich mit einigen der besten Leute der Welt konkurrieren. Ich könnte versuchen, mich einem von ihnen als Partner

Weitere Kostenlose Bücher