Die Klinik
als sie einen Sack Lebensmittel den Hügel hinaufschleppte, kam ihr Ralphie entgegen.
»Hei. Wie geht’s Janet?« fragte sie.
Seine Augen waren glasig. »Was, dem Kind?« fragte er.
»Die Familie kümmert sich um sie.« Er ging weiter, zum Takt einer anderen Trommel marschierend.
Zwei Tage später sah sie Carl Plakate abliefern und fragte wieder nach dem Mädchen.
»Sie lebt nicht mehr bei uns.«
»Wo ist sie?«
»Ich glaube, in Milwaukee.«
»Milwaukee?« fragte Gaby schwach.
»Dieser Kerl, den sie kennengelernt hat, ist gekommen und hat sie uns weggenommen.«
»Haben Sie ihre Adresse?«
»Ich habe sie irgendwo zu Hause aufgeschrieben.«
»Könnten Sie sie mir einmal geben? Ich möchte ihr schreiben.«
»Sicher tu ich das.« Aber er tat es nie.
Gaby vermißte die Kaffeebesuche. Sie hatte das sichere Gefühl, daß Mrs. Walters gern hereingekommen wäre, sich hingesetzt und geklatscht hätte, wenn sie gebeten worden wäre, aber Gaby mochte die Hausfrau nicht und wich ihr aus. Eine andere Bewohnerin des Hauses faszinierte sie, eine kleine gebeugte Frau, die alle paar Tage in ihren Schal gewickelt wegeilte und immer mit einem einzigen Papiersack zurückkam. Ihr Gesicht war wie gegen eine feindliche Welt fest verkniffen. Das arme Ding sah aus wie eine Hexe mit Katzenjammer, dachte Gaby, und wußte sofort, wer es war.
Eines Morgens öffnete sie die Tür und trat hinaus, um sie abzufangen. »Mrs. Krol«, sagte sie.
Bertha Krol zitterte, als Gabys Hand ihren Ellbogen berührte.
»Ich bin Ihre Nachbarin, Gabrielle Pender. Möchten Sie nicht hereinkommen und eine Tasse Tee mit mir trinken?«
Die verschreckten Augen durchforschten die Phillips Street, wie Vögel, die einem Käfig zu entkommen suchen.
»Nein«, flüsterte sie. Gaby ließ sie gehen.
Es regnete sehr viel, ein nasser Frühling. Die von der Pille verursachte Übelkeit verschwand. Die Erde verwandelte sich, die Tage wurden länger und weniger kalt; alle paar Tage regnete es, und die Abwässer stürzten die gepflasterten Rinnsteine des Hügels hinunter und in kleinen Wasserfällen in die alten Kanäle und Abzugsrohre. Adam assistierte im Krankenhaus bei einigen Thoraxfällen, und die Herzchirurgie wirkte wie LSD auf ihn. Nachts, wenn sie im Bett lagen und in der Dunkelheit leise miteinander plauderten, erzählte er ihr, daß er die Hand in die aufgeschnittene Brust gelegt und durch die dünnen Gummihandschuhe das Pulsieren der sich zusammenziehenden rosaroten Pumpe, des lebendigen Herzens, gespürt hatte.
»Wie war das?« fragte sie ihn.
»So, wie wenn ich dich berühre.«
Adam hatte aufgehört, die Hunde beim Namen zu nennen. Es berührte ihn nicht weiter, im Tierlabor von Kazandjian zu erfahren, daß das chirurgische Experiment Nr. 37 ein Fehlschlag gewesen war; es war etwas ganz anderes, vom Tod einer lebendigen Kreatur zu erfahren, die Lovely oder May, Wallace oder Blumenkind hieß. Er zwang sich, die Hundezungen zu übersehen, die versuchten, seine Hand zu küssen, und sich stattdessen auf die mikrokosmischen Kriege zwischen Antigenen und Antikörpern zu konzentrieren, die im Inneren der Hunde wüteten.
Nachdem Kender ihn monatelang vertrauensvoll allein hatte arbeiten lassen, begann er immer wieder das Labor zu besuchen und Adam genau zu beobachten.
»Die Fakultätsernennung dürfte kurz bevorstehen«, sagte er eines Abends zu Gaby und erzählte ihr von Kender, während sie sich unter der Bestrahlungslampe mit Babyöl einrieb.
»Vielleicht ist es gar nicht das«, sagte sie, drehte sich auf den Bauch und reichte ihm das Öl. »Vielleicht interessiert er sich nur so für die Experimente, daß er einfach nicht wegbleiben kann.«
»Er hat sich immer für die Experimente interessiert, ohne mich zu beobachten«, sagte Adam. Seine ölige Handfläche machte saugende Geräusche, als er seine Lieblingsstelle einrieb, die kleine Höhlung, wo ihr Rückgrat endete und die gluteale Erhebung begann. Er atmete den Duft des Öls auf warmem Fleisch ein, und sie konnten es beide nicht aushalten, als er versuchte, ihre Kniekehlen einzureiben. Als sie sich endlich umdrehte, bekamen seine Kleider Fettflecke, und als er am nächsten Tag zur Arbeit ging, scheuerte sein Hemd an dem leichten Sonnenbrand auf seinem Rücken und Nacken.
Zwei Abende später, als Kender ihn bat, ihm einen Vorgang zu erklären, den er bereits in allen Einzelheiten im Arbeitsbuch beschrieben hatte, war Adam sicher.
Er wiederholte das Experiment mündlich, sah dann den älteren
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