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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Flecken wie die Tapete. Er erinnerte sich an einen knarrenden Schaukelstuhl mit einem abgenützten karierten Sitzkissen, an den zweiflammigen Gasherd, der schlecht funktionierte, so daß es lange dauerte, bis das Wasser kochte, an den kleinen Spieltisch, auf dem man nichts Eßbares über Nacht stehen lassen konnte, wegen der hungrigen Dinger, die aus den Wänden krochen.
    Er dachte an all das nur, wenn ihn die Erinnerung daran überwältigte. Er dachte lieber an Mammi, damals, als sie noch jung war.
    Seine Mutter hatte ihn täglich bei Mrs. Simpson zurückgelassen, die drei Zimmer des unteren Stockwerks bewohnte, selbst drei Kinder hatte und, da sie weder einen Ehemann noch eine Beschäftigung aufzuweisen hatte, einen Notstandsscheck bezog. Mammi bekam keinen Scheck. Als er noch ein Knabe war, arbeite sie als Kellnerin in allen möglichen Restaurants, und die schwere Arbeit trug ihr schlechte Füße und geschwollene Beine ein. Trotzdem war sie außerordentlich hübsch. Sie hatte ihn geboren, als sie noch ein junges Mädchen war, und über ihren kaputten Beinen war ihr Körper zwar gereift, jedoch schlank und fest geblieben.
    Manchmal weinte Mammi im Schlaf, und sie rieb immer Desinfektionsmittel auf den Sitz der Toilette, die sie mit den Hendersons und den Catletts gemeinsam benützten. Wenn er gebetet hatte, flüsterte er manchmal ihren Namen in der Dunkelheit: Roe-Ellen Robinson… Roe-Ellen Robinson…
    Wenn sie ihn ihren Namen flüstern hörte, ließ sie ihn zu sich ins Bett kommen. Dann legte sie die Arme um ihn und drückte ihn so heftig an sich, bis er schrie, danach kraulte sie ihm den Rücken und sang ihm Lieder vor –
    Oh, the river is deep and wide, hallelujah!
    Milk and honey on the other side…
    und erzählte ihm, was für ein gutes Leben sie haben würden, wenn sie in das Land kämen, wo Milch und Honig fließt, und er legte seinen Kopf auf ihre großen weichen Brüste und schlief glücklich, überglücklich ein.
     
    Er ging in die Schule seines Bezirks, ein altes Gebäude aus roten Ziegeln mit Fenstern, die schneller zerbrachen, als die Stadt das Glas ersetzen konnte, mit einem betonierten Spielplatz im Freien und einem eigenartigen Dunst drinnen, in dem sich hauptsächlich der Geruch von Kohlengas mit dem von Körpern mischte, die nicht an Privatbäder und Heißwasser gewöhnt waren. Als er mit der ersten Klasse begann, sagte ihm seine Mutter, er solle ja lesen lernen, weil sein Vater ein Mann sei, der gern lese und immer mit der Nase in einem Buch stecke. Daher lernte Spurgeon und tat es allmählich gern. In den höheren Klassen, in der vierten, fünften und sechsten, wurde es schwieriger, in der Schule zu lesen, weil es fast immer irgendeine Störung gab, aber da hatte er schon den Weg in die öffentliche Leihbücherei gefunden und nahm ständig Bücher mit nach Hause.
    Er lief mit besonderer Vorliebe mit zwei Buben herum, mit Tommy White, der sehr schwarz war, und Fats Mc-Kenna, der lichtgelb und sehr mager war, weshalb man ihn »den Fetten« nannte. Zuerst hatten ihn nur ihre Namen fasziniert, später wurden sie auch seine Freunde. Sie liebten alle ein Mädchen namens Fay Hartnett, die wie Satchmo singen und mit den Lippen furzen konnte, wie eine nervöse Trompete. Meistens streiften sie einfach nur in der Umgebung der 171. Straße West herum, spielten Stockball, lobten die Giants und kritisierten die Yankees und ihre lausigen weißen Lehrer. Hie und da mausten sie etwas, wobei immer zwei die Aufmerksamkeit des Ladenbesitzers fesselten, während der dritte klaute, gewöhnlich etwas Eßbares. An drei Samstagabenden hatten sie Betrunkene verdroschen, wobei Tommy und Spurgeon die Arme des Mannes hinter dessen Rücken festhielten, während Fats, der meinte, er sähe wie Sugar Ray aus, den physischen Teil verrichtete.
    Sie hatten die Veränderungen, die sich an Fay Hartnetts Körper vollzogen, genau beobachtet, und eines Abends zeigte sie ihnen auf dem Dach von Fats’ Haus, wie man etwas machte, das ihr einige ältere Buben gezeigt hatten. Sie prahlten damit in alle Winde, und einige Abende später verrichtete sie den gleichen Dienst für sie und eine große Gruppe ihrer Freunde und Bekannten. Zwei Monate später wurde sie aus der Schule entlassen, und von Zeit zu Zeit sahen sie sie dann auf der Straße und kicherten, weil ihr Bauch anschwoll, als hätte sie einen Basketball geschluckt, den jemand aufblies. Spurgeon drückte weder ein Schuldnoch Verantwortungsgefühl; das erste Mal war er der

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