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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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nahm dann noch eineinhalb Tabletten und schlief wieder bis fünf Uhr dreißig.
    Da er nichts besseres zu tun hatte, duschte er, rasierte sich und zog sich an. Dann saß er in dem dunkel werdenden Wohnzimmer, ohne Licht zu machen. Nach einer Weile ging er zum Vorzimmerschrank und nahm eine Flasche Chateau Mouton-Rothschild Jahrgang 1955 heraus, die ihm vor drei Jahren ein dankbarer Patient mit dem Rat geschenkt hatte, sie für eine besondere Gelegenheit aufzubewahren. Er öffnete sie mühelos und schenkte sich ein Glas ein, dann ging er in das Wohnzimmer zurück, saß in der Dämmerung und schlürfte den warmen dunklen Wein.
    Er überlegte scharf.
    So weiterzumachen hatte einfach keinen Sinn. Es war nicht so sehr der Schmerz, als die Würdelosigkeit dieser Krankheit, was ihn entmutigte.
    Die Schlaftabletten waren wirklich schwach, man würde sehr viele nehmen müssen, aber in der kleinen Flasche waren mehr als genug.
    Er versuchte sich Situationen vorzustellen, in denen man ihn vielleicht gebrauchen würde.
    Liz hatte Meomartino und ihren kleinen Jungen, und weiß Gott, ihr bei irgendeinem ihrer Probleme zu helfen, war ihm nicht gelungen.
    Marge Snyder würde ihn vermissen, aber sie hatten einander schon seit Jahren sehr wenig gegeben. Sie hatte ihren Mann knapp vor Frances’ Tod verloren, und sie hatten in der Zeit der gemeinsamen Not ein Verhältnis gehabt, aber das war schon sehr lange her. Sie würde ihn nur als alten Freund vermissen, und in ihrem geordneten Leben würde er keine Lücke hinterlassen.
    Eher vielleicht im Krankenhaus, aber obwohl Kender lieber Spezialist für Transplantationen bleiben würde, würde er die Verantwortungen des Chefchirurgen als eine Verpflichtung auffassen, und Longwood wußte, daß er die Rolle sehr gut, zweifellos sogar glänzend spielen würde.
    Somit blieb nur das Buch.
    Er ging in sein Arbeitszimmer und blickte auf die zwei schäbigen Karteikästen mit den vier Laden voll Krankengeschichten und auf die Stapel von Verweiskarten auf dem Schreibtisch.
    Würde es wirklich der große Beitrag werden, den er sich vorstellte?
    Oder war es letzten Endes doch nur ein letztes Aufbäumen einer einst lebensnotwendigen Eitelkeit, die nur danach strebte, Medizinstudenten die Möglichkeit zu geben, statt im Mosely oder Bradstedt im »Longwood« nachzuschlagen?
    Er nahm die Flasche mit den Schlaftabletten und steckte sie in die Tasche.
    Trotzig trank er ein zweites Glas Wein und verließ die Wohnung. Er nahm den Wagen, fuhr durch die umwölkte frühe Dunkelheit zum Harvard Square und überlegte, ob er vielleicht in ein Kino gehen sollte, aber man spielte einen alten Bogart-Film, und so fuhr er über den Platz weiter, den Frances sicher nicht mehr erkennen würde, nichts als Barfüßige und Bärtige und entblößte Schenkel.
    Er fuhr rund um den Yard und parkte unweit der Appleton-Kapelle, ohne zu wissen, warum er ausstieg und eintrat, denn sie war still und verlassen; wie es auch die Religion immer für ihn gewesen war.
    Bald darauf erklangen Schritte. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Longwood wußte nicht, ob der höfliche junge Mann ein Kaplan war, aber er sah, daß er kaum älter als ein Spitalsarzt war.
    »Ich glaube nicht«, sagte er.
    Er ging wieder hinaus und stieg in den Wagen. Diesmal wußte er, wohin er fuhr. Er fuhr nach Weston, und als er das Bauernhaus erreichte, parkte er den Wagen so, daß er die Wiese überblicken konnte, auf der sie Ball gespielt hatten.
    In der Dunkelheit vermochte er nicht viel zu erkennen, aber sie schien unverändert geblieben zu sein. In einiger Entfernung vom Wagen stand noch immer eine große, alte silbergraue Birke; er war froh, daß sie noch am Leben war.
    Fast ungläubig spürte er einen einst vertrauten Druck in seiner Blase stärker werden.
    Vielleicht war es der Wein, dachte er in steigender Erregung.
    Er stieg aus, ging zu einer Stelle zwischen dem Auto und dem großen Baum. Vor der alten Steinmauer öffnete er den Zippverschluß, holte sein Glied heraus und konzentrierte sich.
    Es dauerte sehr lang, bis zwei Tropfen herausdrangen und müde, wie von einem abgedrehten Wasserhahn, hinunterfielen.
    Scheinwerfer tauchten auf und näherten sich. Er stopfte sein Glied in die Hose zurück wie ein kleiner Junge, der von einer sich öffnenden Tür überrascht wird. Der Wagen brauste vorbei, und er stand zitternd da, ein Idiot, ein Idiot, dachte er wütend, der versuchte, in der Dunkelheit auf ein Beet Maiglöckchen zu pissen, die er hier vor einem

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