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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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mußt?«
    »Ich muß meinen Vater besuchen.«
    »Oh.«
    Warum nicht, dachte er. Er war der Bergstrom-Transplantation zugeteilt, aber Donnerstagabend konnten sie abreisen.
    Regulär hatte er nur sechsundreißig Stunden frei, aber er tauschte mit Meomartino eine künftige Doppelschicht, so daß sie mehr Zeit haben würden.
     
    Miriam Parkhurst und Lewis Chin, die beiden Konsiliarchirurgen, hatten in den frühen Morgenstunden des Donnerstag im OP 3 einen dringenden Fall gehabt, einen mit viel Schmutz verbundenen Fall, was bedeutete, daß der ganze Operationssaal geschrubbt werden mußte, bevor Mrs. Bergstrom hineingebracht werden konnte. Adam wartete im Gang vor dem OP mit Meomartino neben den fahrbaren Krankentragen, auf denen die Zwillinge lagen, sediert, aber bei Bewußtsein.
    »Peg?« sagte Melanie Bergstrom schläfrig.
    Peggy Weld stützte sich auf einen Ellbogen und sah zu ihrer Schwester hinüber.
    »Ich wollte, sie hätten uns eine Probe gegönnt.«
    »Das hier können wir aus dem Stegreif.«
    »Peg?«
    »Mmm?«
    »Ich habe dir die ganze Zeit noch nicht danke gesagt.«
    »Fang nicht jetzt damit an, ich könnte es nicht aushalten«, sagte Peggy Weld trocken. Sie grinste. »Erinnerst du dich, daß ich dich, als wir noch Kinder waren, immer in die Damentoilette führte? In gewisser Weise nehme ich dich noch immer in die Damentoilette mit.«
    Berauscht von Pentothal bekamen sie einen Kicheranfall, der in Schweigen verrann.
    »Wenn mir irgend etwas zustößt, kümmere dich um Ted und die Mädchen«, sagte Melanie Bergstrom.
    Ihre Schwester antwortete nicht.
    »Versprichst du’s, Peggy?« fragte Melanie.
    »Oh, halt den Mund, du dumme Gans.«
    Die Türen des OP 3 flogen auf und zwei Pfleger kamen heraus, die den fahrbaren Kippeimer mit den Füßen vor sich her stießen. »Gehört ganz Ihnen, Doc«, sagte der eine.
    Adam nickte, und sie schoben Mrs. Bergstrom in den OP.
    »Peg?« sagte sie wieder.
    »Ich liebe dich, Mellie«, sagte Peggy Weld.
    Sie weinte, als Adam ihren Wagen in den OP 4 schob. Ohne daß man es ihm sagen mußte, gab ihr der Dicke eine weitere Injektion in den Arm, bevor man sie auf den Operationstisch hob.
    Adam ging sich die Hände schrubben. Als er zurückkam, saß der Anästhesist bereits auf seinem Hocker neben ihrem Kopf und hantierte an seinen Ziffernscheiben herum. Rafe Meomartino, der dem anderen OP zugeteilt war, stand über Peggy Weld und wischte ihr mit einem sterilen Mullstück sanft streichelnd die Nässe vom Gesicht.
     
    Es ging reibungslos. Peggy Weld hatte sehr gesunde Nieren. Adam assistierte, während Lew Chin eine von ihnen entfernte, dann spülte er die Niere durch und sah im anderen OP zu, während Meomartino Kender bei der Übertragung half.
    Danach verlief der Tag ohne Höhenpunkte und rückte nur langsam vor, und Adam war sehr glücklich, Gaby zu sehen, als sie abends vorfuhr um ihn abzuholen.
    Auf der Straße sprachen sie sehr wenig. Die Landschaft war auf eine strenge herbstliche Weise sehr hübsch, aber bald wurde es finster, und außerhalb des Wagens war nichts zu sehen als sich bewegende Schatten; drinnen war Gaby im spärlichen Licht des Armaturenbretts eine liebliche Silhouette, die sich nur hie und da veränderte, etwa wenn sie einen langsamer fahrenden Wagen überholte oder bremste, um nicht durch ein Lastauto hindurchzusausen. Sie fuhr zu schnell; sie raste dahin, als jagten sie den Teufel oder Lyndon Johnson.
    Sie merkte, daß er sie betrachtete, und lächelte.
    »Paß lieber auf die Straße auf«, sagte er.
    Als sie ins Vorgebirge kamen, sank die Temperatur. Er kurbelte das Fenster herunter und zog den scharfen Herbstgeruch ein, der in der Luft lag, die von den pflaumenblauen Bergen auf sie herunterströmte, bis Gaby ihn bat, das Fenster zu schließen, weil sie Angst hatte, sich zu erkälten.
     
    Das Kurhotel ihres Vaters hieß Pender’s North Wind. Es war ein großes, unregelmäßig angelegtes Landhaus, das in friedlicheren Zeiten große Tage erlebt hatte. Gaby bog von der Straße ab, fuhr zwischen zwei steinernen Wasserspeiern durch, einen langen, knirschenden Kiesweg entlang auf ein viktorianisches Herrenhaus zu, das unglaublich hoch aufragte, weil nur im Mittelteil des Erdgeschosses Lichter brannten.
    Als sie aus dem Wagen stiegen, stieß irgend etwas in der Nähe, ein Tier oder ein Vogel, einen schrillen, hohen, klagenden Schrei aus, der immer wieder in einer rastlosen, kummervollen Litanei wiederholt wurde.
    »Gott«, sagte er, »was ist das?«
    »Ich

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