Die Klinik
bereit.
Die Zimmer waren durch ein Badezimmer getrennt. Er durchquerte es und klopfte an die geschlossene Tür.
»Was ist?«
»Möchtest du gern mit mir reden?«
»Nein.«
»Nun, dann gute Nacht.«
Er schloß die beiden Badezimmertüren, zog seinen Pyjama an, löschte das Licht und lag im Dunkeln. Vor dem offenen Fenster zirpten Grillen eine schrille Serenade, vielleicht in der Ahnung, daß der Frost, der sie töten würde, irgendwo dicht über dem Horizont lauerte. Die Waschbärin jammerte verzweifelt und weinerlich. Gaby Pender ging ins Badezimmer, und er konnte durch die geschlossene Tür das Rieseln und die Wasserspülung hören, Geräusche, die ihn trotz seiner langen klinischen Erfahrung starr daliegen und ihren Vater hassen ließen.
Er stand auf und schaltete das Licht ein. Auf dem Schreibtisch lag Briefpapier mit dem Briefkopf des Hotels. Er benützte seine eigene Feder und schrieb so schnell, als kritzelte er ein Rezept.
An den Beauftragten für Fischerei und Wildhege Montpellier, Vermont
Sehr geehrte Herren, Ein großer weiblicher Waschbär, ungesetzlicherweise gefangen, wird in diesem Hotel in einem Käfig als Köder für illegales Fangen männlicher Waschbären gehalten. Ich habe mitangesehen, wie das Tier mißhandelt wurde, und ich stelle mich gerne als Zeuge zur Verfügung. Ich bin an der Chirurgischen Station des Suffolk County General Hospital in Boston zu erreichen. Ich ersuche um Ihre unverzügliche Untersuchung des Falles, da die Waschbären verzehrt werden sollen.
Hochachtungsvoll Dr. med. Adam R. Silverstone
Er steckte das Schreiben in einen Briefumschlag, befeuchtete den Umschlag mit der Zunge und versiegelte ihn sorgfältig, fand Marken in seiner Brieftasche und klebte eine auf, dann steckte er den Brief in seine Reisetasche und legte sich wieder ins Bett. Ungefähr eine Viertelstunde lang warf er sich herum, trotz seiner überwältigenden Müdigkeit überzeugt, daß er jetzt nicht einschlafen konnte.
Das alte Hotel knarrte, als hüpften wollüstige Geister von Zimmer zu Zimmer in die Betten und schwangen befreite Keuschheitsgürtel statt Ketten. Die Grillen zirpten ihren schrillen Schwanengesang. Der Waschbär weinte und wütete. Einmal dachte Adam, er höre Gaby weinen, entschied jedoch, daß er sich vielleicht geirrt hatte.
Und schlief ein.
Er wurde – seinem Gefühl nach fast sofort danach – von ihrer Hand geweckt.
»Was ist?« fragte er und dachte zuerst, er sei im Krankenhaus.
»Adam, bring mich weg von hier.«
»Natürlich«, sagte er benommen, halb in Schlaf, halb wach, und schloß dann die Augen gegen das Licht, als sie es aufdrehte. Er sah, daß sie in Hosen und Sweater war.
»Du meinst, jetzt?«
»Auf der Stelle. Jetzt sofort.« Ihre Augen waren verweint. Eine Welle von Zärtlichkeit und Mitleid überschäumte ihn. Gleichzeitig drückte ihm die Müdigkeit den Kopf in das Kissen zurück.
»Was werden sie denken?« sagte er. »Ich glaube nicht, daß wir einfach bei Nacht und Nebel verschwinden sollten.«
»Ich hinterlasse einen Brief. Ich sage ihnen, daß du vom Krankenhaus zurückgerufen wurdest.«
Er schloß die Augen.
»Wenn du nicht mitkommst, fahre ich allein.«
»Geh den Brief schreiben. Ich ziehe mich inzwischen an.«
Sie mußten sich die breite Treppe im Finstern hinuntertasten. Der Mond stand jetzt niedrig, warf jedoch ein Licht, durch das sie ihren Weg zum Wagen leicht zurücklegen konnten. Die Grillen waren eingeschlafen, oder was immer sie taten, wenn sie zu zirpen aufhörten. Hinter dem Becken sang der arme Waschbär noch immer sein Klagelied.
»Warte«, sagte sie.
Sie drehte die Scheinwerfer auf und kniete in ihrem Licht nieder, um einen großen Stein auszusuchen. Als er ihr folgen wollte, hielt sie ihn zurück. »Ich will es allein machen.«
Er saß auf dem Ledersitz, der naß vom Tau war, und fröstelte, während sie das Schloß des Käfigs zerschlug, und fragte sich, ob er den Brief mit der Anzeige gegen ihren Vater wirklich abgesandt hätte. Nach einem Augenblick verstummte das Wehklagen. Er hörte, daß sie zu ihm zurücklief, dann das Geräusch eines Aufschlages und ihr Fluchen.
Als sie den Wagen erreichte, lachte und schluchzte sie gleichzeitig und sog an ihrer abgeschürften Handfläche.
»Ich hatte Angst, daß sie mich beißen würde, und als ich wegrannte, stolperte ich über eine der Fallen«, sagte sie.
»Ich bin fast in das gottverdammte Schwimmbecken gestürzt.«
Er begann mit ihr zu lachen; sie lachten den
Weitere Kostenlose Bücher