Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
zog ihm die Schuhe aus, deckte ihn zärtlich mit einer braunen Wolldecke zu, die ihn am Kinn kitzelte, küßte ihn auf die Augen, schloß ihm damit die Lider und ließ ihn allein, damit er im Tosen der Brandung versinken konnte.
     
    Endlich erwachte er beim Tuten von Nebelhörnern, das wie ein ungeheures Magenknurren klang, dem Duft und Gebrutzel von Essen und dem Gefühl, daß er im Zwischendeck auf einem sehr kleinen Schiff reiste. Ein rauchiger Nebel trübte das Fenster und machte es stumpf wie die Augen eines kleinen Waisenmädchens.
    »Ich habe gehofft, daß du lange schläfst«, sagte sie, den Speck wendend. »Aber ich bin so verdammt hungrig geworden, daß ich zu dem Laden am Campingplatz um Lebensmittel fahren mußte.«
    »Wem gehört diese Hütte?« fragte er und sah sich schon samt Gaby wegen Einbruchs verhaftet.
    »Mir. Sie wurde mir als kleines Legat von meiner Großmutter vermacht. Mach dir keine Sorge, wir sind legal hier.«
    »Jesus, eine Erbin.«
    »Es gibt viel heißes Wasser aus einem guten Boiler«, sagte sie stolz. »Zahncreme ist im Schränkchen.«
    Die Dusche stellte seine Begeisterung wieder her, aber der Inhalt der Hausapotheke dämpfte sie wieder. Da lag ein Ding, von dem er zuerst fürchtete, daß es eine Birnspritze sei, das sich aber als Klistierspritze herausstellte, daneben Arzneien, Nasentropfen und Augentropfen, Aspirin und schmerzstillende Mittel verschiedenster Art, sowie ein Durcheinander von Vitaminen, unbeschrifteter Pillen und Fläschchen, die Ansammlung einer Hilf-dir-selbst-Apotheke einer pillensüchtigen Neurotikerin.
    »Gott«, sagte er verdrießlich, als er auftauchte, »willst du mir einen Gefallen tun?«
    »Was für einen?«
    »Diesen… Mist in deinem Schränkchen wegschmeißen.«
    »Ja, Herr Doktor«, sagte sie zu nachgiebig.
    Sie frühstückten Pfirsiche aus der Dose, Speck und Eier und tiefgekühlte Maiskolben, die am Toaster kleben blieben und als Krümel gegessen werden mußten.
    »Du machst den besten Kaffee der Welt«, sagte er in milderer Stimmung.
    »Spezielle Kenntnis der Kaffeebraukunst. Ich habe ein Jahr lang allein hier gelebt.«
    »Ein ganzes Jahr? Du meinst, den ganzen Winter hindurch?«
    »Gerade im Winter. Unter solchen Umständen kann eine gute Tasse Kaffee absolut lebensrettend sein.«
    »Warum wolltest du dich verkriechen?«
    »Nun, ich will es dir sagen. Man hat mich sitzengelassen.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    »Der verdammte Narr.«
    Sie lächelte. »Danke, Adam. Das ist sehr lieb.«
    »Es ist mein Ernst.«
    »Nun, wie dem auch sei. Zusammen mit meinem nicht gerade idealen Verhältnis zu meinen Eltern – mit dem du etwas vertraut geworden bist – bin ich echt gemütskrank geworden. Ich glaubte, was für einen Thoreau gut war, müsse für alle gut sein. Also nahm ich einige Bücher und bin hergekommen. Um die Dinge zu Ende zu denken. Um herauszufinden, wer ich wirklich bin.«
    »Hast du das? Herausgefunden, meine ich.« Sie zögerte. »Ich glaube ja.«
    »Dann bist du zu beneiden.«
    Er half ihr beim Geschirrspülen. »Es sieht so aus, als wären wir eingenebelt«, sagte er, als sie die Tassen aufstapelten.
    »O nein. Hol dir eine Jacke. Ich will dir etwas zeigen.«
    Vor der Hütte führte sie ihn über einen Pfad, der in der niedrigen, dichten Vegetation fast nicht zu erkennen war. Adam erkannte Lorbeer und hie und da eine blattlose Strandpflanze. Der Nebel war so dicht, daß Adam nur die nächsten paar Schritte weit und den schönen Schwung ihrer Hüfte in den enganliegenden Blue jeans direkt vor sich sehen konnte.
    »Weißt du auch, wohin du gehst?«
    »Ich könnte mit geschlossenen Augen gehen. Vorsicht jetzt. Langsam. Wir sind fast da.«
    Die Klippe, an deren Rand sie stehenblieben, schien senkrecht in die Tiefe zu fallen. Der Nebel stand wie eine Wand vor ihnen, aber er spürte den Abgrund unter ihnen – trotz des dichten Nebels –, der in Adams Phantasie grauenerregend war, ähnlich dem, in den er sich einst, um Geld in Bensons Aquacade zu machen, vom Dreißig-Meter-Turm stürzte.
    »Ist es steil? Und tief?«
    »Sehr steil. Und ziemlich tief. Es erschreckt alle, wenn sie ihn zum erstenmal sehen. Aber es ist ungefährlich. Ich komme hinunter, wenn ich mich niedersetze und mit dem Hintern auf einer kleinen Erdscholle hinunterfahre.«
    »Na, kein übles Fahrzeug.«
    Sie grinste, nahm es als Kompliment. Während er sich nervös in einiger Entfernung hinter sie setzte, ließ sie die Füße über den Rand der Klippe baumeln und sog mit

Weitere Kostenlose Bücher