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Die Kluft: Roman (German Edition)

Die Kluft: Roman (German Edition)

Titel: Die Kluft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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den Arm. Es war eindeutig, dass er mit Astre sehr viel weniger zart umging als mit dem Kleinen. Weil Maire sah, dass Astre in guten Händen war, stand sie auf, berührte einen der jungen Männer an der Schulter, damit er sich zu ihr umdrehte, und nahm seinen Zapfen in die Hand. Die beiden kopulierten im Stehen. Im Laufe dieses Nachmittags und Abends kopulierte Maire mit allen. Ich glaube, man muss sich hier so etwas wie die flüchtige, schnelle Paarung von Vögeln vorstellen, die wir wohl alle manchmal sehen, wenn es wärmer wird und wir auf unsere Höfe und Güter fahren.
    Astre hielt die Arme über der Brust verschränkt und sah zu. Als einer der Zapfen sie offenbar auffordern wollte, es Maire gleichzutun, schüttelte sie den Kopf. Sie blutete noch von der Geburt und ging bald darauf zum Fluss, um zu sehen, ob es dort Schilf gab, das sie benutzen konnte. Ja, sie fand Schilf, das aber ganz anders war als der Tang, den die Spalten benutzten, und machte sich eine Binde daraus. Die Jungen folgten ihr mit den Augen, und als sie das Blut rinnen sahen, schienen sie zu verstehen.
    Die Hirschkuh säugte den Kleinen noch einmal und lief dann davon in den Wald, während der Säugling schrie.
Er schrie nach seiner Mutter
 – so verstand es Astre, die nicht wusste, ob sie um sich selbst weinte oder um all die Kleinen, die man einst ohne Mutter und ohne Muttermilch allein gelassen hatte (und die hier wahrscheinlich um sie herumstanden).
    Der große Adler, der all das mit seinen gelben Augen beobachtet hatte, flog am Abend zurück in sein Nest auf dem Gipfel des Berges.
    Es war warm, ein milder Abend. Die Mädchen wurden mit frischem Fisch aus dem Fluss und mit Flusswasser in großen Muscheln bewirtet. Dann legten sie sich in der Nähe des Baumstamms nieder und sahen zu, wie alle Jungen (auch ein paar ältere, die schwer verstümmelt waren, obwohl die Mädchen das nicht ermessen konnten) für die Nacht in ihren Schilfunterständen verschwanden, die im Mondlicht hell leuchteten und den Mädchen Angst machten, obwohl Maire sie schon einmal gesehen hatte. Dicht beieinanderliegend schliefen sie ein. In der Nacht kamen die Jungen aus den Unterständen, um nachzusehen, ob die Mädchen noch da waren, und weil sie sich so vorsichtig umsahen und in den Wald hineinschauten, begriffen die Mädchen, dass die Unterstände einem Zweck dienten.
    Und die Hirschkuh? Das Kleine? Sie waren da, versteckt im Unterholz. Doch wenn ein wildes Tier von den Bäumen herabkam, hatten die beiden Wesen kaum eine Hoffnung, zu überleben.
    Als die Mädchen erwachten, waren alle schon aus ihren Unterständen gekommen, die nun im Sonnenlicht glänzten, und das Kleine lag neben der Hirschkuh, die sich ausgestreckt hatte, um es zu säugen. Wieder bekamen die Mädchen Fisch und Wasser und Früchte aus dem Wald, die sie kaum je gekostet hatten.
    Wir besitzen Schilderungen des Besuchs der beiden Mädchen Maire und Astre, und zwar sowohl in den männlichen – unseren – Aufzeichnungen, als auch in der Geschichtsschreibung der Spalten. Sie stimmen überein, und in beiden wird betont, dass die Jungen inzwischen vor allem Unterricht in der Sprache wollten. Sie hatten den Spalten zugehört und gemerkt, wie unbeholfen sie waren.
    Beide Seiten lernten schnell voneinander, und je mehr sie lernten, desto besser begriffen sie, wie viel es noch zu erfahren gab.
    Als die Mädchen in die Unterstände hineinsahen, fanden sie dort ein verdrecktes Durcheinander aus Knochen, Fruchtschalen und weggeworfenen Schilfbandagen vor. Daraufhin rissen sie Zweige von den Bäumen und benutzten sie als Besen. Dies war an sich schon bemerkenswert, weil es in der Nähe der Küste der Spalten keine Bäume gab. Der Abfall wurde auf einen großen Haufen gefegt, zu dem noch die Gräten und Fischstückchen von der Stelle kamen, an der die Adler mit Fisch gefüttert wurden. Der gesamte Haufen wurde dann zum Flussufer und schließlich in den reinigenden Strom gefegt.
    Die männlichen Wesen fingen Fisch, den sie mit ihren aus Muscheln gefertigten Messern zerschnitten, suchten in den Bäumen nach Früchten und sorgten dafür, dass die Mädchen zu essen bekamen, wie auch das Kleine, wenn es schrie. Sie holten frisches Gras für die Hirschkuh und streichelten Hirschkuh und Kind.
    Die Mädchen beobachteten alles, und die Jungen beobachteten sie. Sie kopulierten ständig, als wären die Mädchen zu diesem Zweck gekommen. Auch Astre, nachdem ihr Geburtsfluss zu Ende war.
    Astre und Maire saßen umringt von

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