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Die Kluft: Roman (German Edition)

Die Kluft: Roman (German Edition)

Titel: Die Kluft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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aufeinanderfolgende Schritte gemacht hatte, ging an den großen Adlern vorbei, die auf hohen Felsen reglos schliefen, kletterte auf der anderen Seite wieder herunter und erreichte schließlich die Küste, wo die Ihren waren, die wie immer herumlagen, vor sich hin sangen und ihr langes Haar ausbreiteten. Sie hatten kaum bemerkt, dass sie fort gewesen war.
    Die Alten Weiblichen saßen alle zusammen auf einem großen flachen Felsen, der ihr Platz war. Sie sah die riesigen, unförmigen Schöße und fleischigen Lappen, als sähe sie sie zum ersten Mal, gewaltige, unförmige Brüste, große schlaffe Gesichter mit Augen, die nichts zu sehen schienen, Körper in der warmen Brandung. All das sah sie, und was sie sah, gefiel ihr nicht.
    Sie musste ihnen erzählen, was geschehen war, und obwohl die Alten ihr durchaus zuhörten, nahmen sie das, was sie sagte, offenbar gar nicht wahr. Jenseits des Berges lebten die Ungeheuer, die sie zum Sterben ausgesetzt hatten, das war die entscheidende Tatsache, doch sie hätte ebenso gut schweigen können. Die jüngeren Spalten waren fast genauso schlimm – nur ein einziges Mädchen, eins von denen, die versucht hatten, den Alten Weiblichen von den Schläuchen der Ungeheuer zu erzählen, hörte ihr zu und wollte alles wissen. Diese beiden Mädchen waren daraufhin immer zusammen und erzählten und stellten Mutmaßungen an. Nach entsprechender Zeit wurde ein Kind geboren – eine Spalte. Das Mädchen und ihre Freundin wussten, dass dieses Kind anders war, und suchten nach Anzeichen dafür. Zu sehen war nichts, doch das Kleine war unruhig und schrie, und es konnte früh krabbeln und schwimmen und schließlich laufen.
    Jenes Kind, das den Spalten geboren wurde und als Erstes ein Ungeheuer zum Vater hatte, war anders in seinem tiefsten Wesen, das wussten beide Mädchen. Doch diese Feststellung wirft eine Frage auf: Woher wussten sie das? Was war an ihnen selbst so anders, dass sie diese Gewissheit hatten? Mit diesen beiden Spalten war irgendetwas geschehen, ohne dass sie ahnten, was es war. Sie wussten nur eins: Wenn sie miteinander über das Neugeborene, über die Ungeheuer jenseits des Berges sprachen, dann verwendeten sie eine Sprache und Gedanken, die sie mit niemandem sonst an ihrer Küste teilen konnten.
    Das Mädchen, das unter dem Zwang einer neuen inneren Natur über den Berg gegangen war, gehörte zu denen,
Die für Wasser sorgen
. Sie kümmerte sich darum, dass die Rinnsale, die von den Klippen kamen, nicht verunreinigt und in einen dafür vorgesehenen Felsentümpel geleitet wurden. Sie war als
Wasser
bekannt, doch als sie eines Tages von den Alten Weiblichen herbeigerufen wurde, weil irgendetwas zu erledigen war, sagte sie, ohne es geplant oder daran gedacht zu haben: »Ich heiße Maire.« So wurde der zunehmende Halbmond genannt. Ihre Freundin, das andere Mädchen, die zu denen gehörte,
Die Fische fangen
, und deswegen
Fisch
genannt wurde, sagte: »Und ich heiße Astre.« So wurde der hellste Abendstern genannt.
    Die Alten Weiblichen schienen sich zu ärgern, wenn sie überhaupt hörten, was die Mädchen sagten. Solange die jungen Spalten sie versorgten und ihnen zu essen gaben, konnten sie sich nennen, wie sie wollten – zumindest nahmen die Mädchen an, dass sie so dachten.
    Es war etwas Neues, so kritisch über die Alten Weiblichen zu denken: Sie hatten so viele neue, gefährliche Gedanken im Kopf.
    Maire dachte oft über die Zapfen jenseits des Berges nach. Sie
spürte
, dass sie nach ihr verlangten. Nicht die Art, wie sie mit ihren Zapfen umgegangen war, beschäftigt sie: Es war eher das Verlangen in ihren Gesichtern, wenn sie sie ansahen, diese Not, die in gewisser Weise an ihr zog.
    Jene neuen Menschen in ihrem Tal dachten an Maire. In ihrem Gedächtnis kam die erste Spalte, die sie umgebracht hatten, nicht mehr vor, aber sie erinnerten sich voller Sehnsucht an Maire. Manchmal schlichen sie in den felsigen Bergen oberhalb der Küste herum, an der sie früher gelebt hatten, um einen Blick auf die Spalten zu erhaschen, hatten aber Angst, von ihnen gesehen zu werden. Alles, was sie über die Spalten dachten, war dunkel und beunruhigte sie. Die Spalten besaßen die Gabe, neue Menschen zu machen: Und sie, die neuesten Menschen, besaßen diese Gabe nicht.
    Und was sie darüber hinaus zunehmend beunruhigte, war ihre Sprache. Die Sprache der Spalten war klarer und besser. Sie versuchten, sich an die Worte zu erinnern, die Maire verwendet hatte, und wie sie sie zusammensetzte.

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