Die Kluft: Roman (German Edition)
wühlte nun auch jene jungen Spalten auf. Man hätte es Neugier nennen können, doch möglicherweise war es mehr. Was es auch war, während die beiden Boten aus dem Tal dastanden und ängstlich und bereit zur Flucht nach unten starrten, erhoben sich die Mädchen eines nach dem anderen von ihren warmen Felsen und kletterten zur Höhle hinauf, wo ihnen Maire und Astre die Lage erklärten und dabei wie immer die Neue im Auge behielten. Zwei Mädchen hatten Brüste voller Milch. Vielleicht waren sie sogar die Mütter der beiden Kleinen, die sich zur gleichen Zeit im Tal die Seele aus dem Leib schrien.
»Geht mit ihnen«, sagten Maire und Astre, und bald darauf waren sie in der eben noch überfüllten Höhle nur noch zu dritt, Maire und Astre und die Neue. Die beiden jungen Frauen wurden bereits von den Boten über die felsigen Hänge gehetzt. Sie versuchten zu rennen, Menschen, die nie zuvor in ihrem Leben gerannt waren.
Sie hatten Angst – natürlich. Schließlich gingen sie über den Berg, der immer die Schwelle am Ende ihrer Welt gewesen war. Und als sie den Berg erreicht und erklommen hatten und hoch oben zwischen den Nestern der Adler standen, blickten sie hinunter in ein weites, von einem lebhaften Fluss durchzogenes Tal. Und dann stiegen sie mithilfe der Jungen den Hang hinunter, bis sie inmitten von Ungeheuern standen, die mittlerweile erwachsen oder zumindest genauso groß wie sie waren und ihnen nackte Säuglinge hinhielten, zwei Ungeheuer, sodass sie Abscheu und sogar Furcht überwinden mussten.
Die Kleinen wurden an die Brüste angelegt wie zuvor an die Zitzen der Hirschkuh, und tranken, während die Zapfen um sie herumstanden und zusahen – keiner hatte je gesehen, wie ein Säugling die Brust bekam. Als die Kleinen satt waren, nahmen die älteren Jungen sie und brachten sie zum Schlafen in einen Unterstand. Erst dann wurden den Mädchen Wasser aus dem Fluss gereicht und Früchte und Eier, die auf einem hohlen Stein in der Sonne gegart worden waren.
Und danach begannen die Spiele, von denen Maire und Astre erzählt hatten, die Spiele zwischen Zapfen und Spalten, die mit Dringlichkeit und Hast begannen, und als die Jungen schließlich, wie zuvor die Kleinen, gesättigt waren, gingen die Spiele der Neugier los.
»Was hast du da?« »Was ist das?« »Wozu ist das?« »Und du – was ist das? Kann ich den Finger hineinstecken?« Und mit der Zeit verloren die Spalten ihre Angst vor den Ungeheuern und waren wie gebannt.
Was die beiden neuen Ungeheuer oder Zapfen anging, so gediehen sie und wuchsen und lärmten, genau wie die Neue in der Höhle bei Maire und Astre.
Als die Zeit gekommen war, kehrten die Mädchen an ihre Küste zurück, und bald darauf gebaren Maire und Astre: eine Spalte die eine und die andere einen Jungen – ein Wort, das noch nicht in Gebrauch war.
Die Alten hatten Angst und waren wütend, und sie suchten Rache. Sie sagten, dass jedes weibliche Wesen kurz vor der Niederkunft bewacht oder beobachtet werden und jedes kleine Ungeheuer gleich nach der Geburt getötet werden müsse.
Es gelang ihnen tatsächlich, eines zu töten. Sofort erschienen Adler, die dicht über den ängstlichen Spalten schwebten. Daraufhin verlangten die Alten, dass die Adler getötet werden sollten. Das war absurd, wie sollte man einen Adler töten? Als eine Spalte am Strand einen Stein aufhob und nach einem sitzenden Adler warf, glitt der Kiesel an seinen glänzenden Federn ab. Der Adler warf die Spalte mit seinen Klauen in die Wellen. Sie schwamm – alle konnten sie schwimmen. Doch dann ließ sich der große Vogel genau dort auf den Felsen nieder, wo die Spalte herausklettern wollte, und stieß sie ins Wasser zurück. Als sie sich zu einer anderen Stelle begab, folgte ihr der Vogel dorthin. Sie ertrank schon beinahe vor Erschöpfung, da flog der Adler endlich davon und ließ sie an Land kommen. Alle beobachteten die kleine Schlacht, und allen machte sie Angst. Es kam ihnen neu und schrecklich vor. Kämpfe … Feindseligkeit … Vergeltung. Die Alten Weiblichen, denen vor Bestürzung der Mund offen stand, richteten sich auf, um besser zu sehen, und in den kleinen Augen zwischen den Fettpolstern funkelte der Hass.
Es war nicht daran zu denken, einen Adler zu töten, das wurde ihnen klar. Die Vögel waren entschlossen, jeden weiteren Mord an einem Kind zu verhindern. Und es gab andere, die sie beschützten: Die Mädchen, die vor Kurzem aus dem Tal zurückgekommen waren, hatten sich im Geiste mit den Zapfen
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