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Die Kluft: Roman (German Edition)

Die Kluft: Roman (German Edition)

Titel: Die Kluft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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war: Die Expedition war gescheitert, und die zertrümmerten Boote waren der Beweis dafür.
    Das Problem waren die kleinen Jungen, die man, wie wir uns in Erinnerung rufen müssen, nicht mit unseren Kindern im gleichen Alter vergleichen darf. Sie waren zehn, elf, zwölf und »hatten noch keine Männerkörper«, konnten aber mit sämtlichen Waffen umgehen, mit den Jägern jagen und die Fährtenleser begleiten. Doch nun jammerten sie, waren aufsässig und unzufrieden mit allem. Sie hatten sich in ihrer früheren Begeisterung mehr von diesem »Abenteuer« versprochen, als Tag für Tag mühsam an der Küste herumzuklettern, was manchmal einfach war, aber oft auch nicht, und nach den Männern Ausschau zu halten, wenn sie vom Meer zurückkamen. Außerdem waren sie müde. Manche waren erst sieben oder acht Jahre alt, aber groß für ihr Alter, sodass sie von Maronna, die sich mit den kleineren Kindern auf den Weg nach Hause gemacht hatte, zurückgelassen worden waren. Bisweilen sehnten sie sich nach ihren Müttern oder zumindest nach den Frauen, die Kinder so gerne mochten, dass Maronna ihnen deren Betreuung übertragen hatte. Horsa hatte schon kurz nach dem Aufbruch gewusst, dass es ein Fehler gewesen war, die Jungen mitzunehmen, und nun waren sie weit weg von zu Hause – wenn ihr Zuhause der Wald war – und noch weiter weg von der Küste der Frauen.
    Horsa hatte die Absicht, alle Jungen unter dem Schutz der älteren nach Hause zu schicken, doch als die jungen Männer von diesem Plan hörten, weigerten sie sich, im Zuge einer so langen und schwierigen Reise auf mürrische, ungehorsame Kinder aufzupassen – nein. Wir besitzen keine weiteren Aufzeichnungen darüber, dass Horsas junge Männer ihm etwas abschlugen. Hieß das also, dass man die gesamte Expedition für gescheitert erklären und nach Hause fahren musste?
    Das wäre sicher nicht einfach gewesen. Der ohnehin verächtlichen Maronna zu sagen, dass sie recht gehabt hatte – schlimm genug. Doch es gab noch Schlimmeres. Horsa hatte gesagt, er wolle herausfinden, ob er eines Tages wieder an den Ausgangspunkt gelangen werde, wenn er der Küstenlinie folgte – ob er plötzlich die Frauen auf den Felsen sehen und wissen werde, dass das Land einmal umrundet worden sei. Und mehr noch, Horsa wollte ein anderes Land entdecken, eine andere Küste, andere – Menschen? Es gibt keinerlei Andeutungen dieser Art. Doch jene Menschen haben sich bestimmt manchmal gefragt, ob irgendwo andere lebten, die ihnen ähnlich waren und sich genauso fragten, ob es an Meeren und in Wäldern außer ihnen noch jemanden gab.
    Nach Hause zu Maronna und den Frauen zu gehen und zu sagen … Schwer vorstellbar, welche Worte Horsa dafür gefunden hätte.
    Doch auch wenn die jungen Männer schon als Kinder das Bedürfnis gehabt hatten, sich von den Frauen zu entfernen, vermissten sie inzwischen den mühelosen Kontakt, die Besuche zwischen Frauen und Männern, Männern und Frauen – aber vermissten sie auch Schelte und gute Ratschläge?
    »Dumm, dumm, dumm – hast du wirklich gedacht, du kannst aus kleinen Kindern Erwachsene machen, indem du sie einfach wie Erwachsene behandelst? Hast du dir wirklich eingebildet, dass sich die kleinen Jungen wie deine gehorsamen Jäger verhalten, einfach nur, weil dir das so passt?«
    Horsa ging mit einigen seiner Männer an den Stränden entlang, um zu sehen, was sie dort vorfinden würden; er zog mit ihnen ins Inland zu hoch gelegenen Stellen, sehr hohen Bäumen oder Hügeln, zu jedem Beobachtungsposten, der sie vielleicht etwas sehen ließ, das Horsas Hoffnungen bestätigte.
    Zeit verging. Und dann geschah endlich etwas, das eine Datierung der Ereignisse ermöglichte, für sie wie für uns.
    Es gab mehrere Mädchen, die schwanger waren und deren Umfang und Verfassung Horsa viele Probleme bereitete.
    Als sie niedergekommen waren, hörte man Kindergeschrei an den langen Stränden, wo mildes Wetter herrschte, wo sie lagerten und feierten, an Stränden, die hauptsächlich von Männern bevölkert waren. Horsa war entsetzt und alle jungen Männer auch. Davor waren sie schließlich davongelaufen – nicht wahr?
    »Was habt ihr denn erwartet? Mädchen bekommen Kinder, und Kinder schreien, und man muss die Kinder füttern und waschen und warm halten – habt ihr nicht daran gedacht? Ihr Idioten, ihr Narren, ach, wir verlieren noch die Geduld mit euch … Horsa, willst du behaupten, du wusstest nicht, dass es dazu kommen würde? Weißt du nicht mehr, wie wir dir

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