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Die Kluft: Roman (German Edition)

Die Kluft: Roman (German Edition)

Titel: Die Kluft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Waldlichtung hatte sich eine Familie großer Katzen breitgemacht, die dort lagen, als wäre das ihr angestammter Platz. Man hatte die Kinder zur Lichtung geführt, um ihnen solche Katzen zu zeigen, und schon bei ihrem Anblick gefror ihnen vor Angst das Blut. Wo waren die Schweine, die nur ein paar Tage zuvor die beiden Jungen geholt hatten? Eine große, schwarze Sau mit schimmernden Stoßzähnen lag quer im Bach und staute ihn an: Wasser ergoss sich um sie herum in flache Lachen. Weil sie so groß war, hatte sie, wie die anderen Schweine, von den Katzen nichts zu befürchten. Welches Tier konnte es schon mit einer Herde schlanker, schneller Schweine aufnehmen? Vielleicht eine Hundemeute.
    Die Kinder standen verloren da und betrachteten ihr Paradies, und manche fingen an zu weinen. Es war gefährlich dort, obwohl die Jäger dabei waren. Maronna machte sich mit den kleineren Jungen auf den Weg zur Küste der Frauen – man hatte sie einfach nach ihrer Größe ausgewählt. Die etwas älteren Jungen – es klingt, als wären sie ungefähr zehn gewesen – brachen in Begleitung der Jäger auf, um die Männer zu suchen. Es war bereits Nachmittag. Unmöglich, zu den anderen Männern zu stoßen, während es noch hell war. Diese Gruppe der Jungen erreichte schließlich das Meer. (Wie viele? »Einige.«) Sie ließen sich an einem breiten Strand nieder, wo sie ohne etwas zu essen übernachteten und wachsam blieben, während die ungewohnte Brandung toste, zuerst ganz in der Nähe und später, als die Ebbe kam, etwas weiter entfernt.
    So endete der Tag, an dem sich Maronna und Horsa »versöhnten«, und die Frauen, die bei ihr waren, führten das Alltagsleben fort. Den Aufzeichnungen zufolge regten sich alle unentwegt über Horsa und seine unbestimmten Pläne auf, und nicht zuletzt darüber, dass er die Kinder mitgenommen hatte.
    Die Jungen, die mit Horsa gehen sollten, erhielten Regeln, die sie lernen und einhalten mussten. Diese ersten Regeln waren streng, und Strafen waren vorgesehen. Gehorsam wurde verlangt oder zumindest angestrebt. Wenn Horsa je bedauerte, dass er sich bereit erklärt hatte, die Jungen, auch die älteren, mitzunehmen, dann gab er es nicht zu.
    Der erste Tag zeigte, dass Horsa keine Vorstellung davon gehabt hatte, auf was er sich einließ.
    Man stelle sich die Aufregung der Jungen vor, die allesamt ein Floß oder Schilfbündel oder auch nur einen Baumstamm bekommen hatten und mit den Männern zum ersten Abschnitt der Reise aufbrachen. Weil sie wild mit einzelnen oder mehreren zusammengebundenen Stöcken oder mit den Händen paddelten, kamen sie den Männern in die Quere, die größere Boote zu steuern hatten. Ständig fielen sie ins Wasser und mussten gerettet werden. Natürlich konnten sie alle schwimmen und würden keinesfalls ertrinken, diese Kinder des Wassers, doch die »Flotte«, die Horsa mit seinen Gehilfen zusammengestellt hatte, kam nur langsam voran, weil die kleinen Jungen die Aufmerksamkeit aller in Anspruch nahmen. Als der erste Tag zu Ende ging, war erwiesen: Wenn die Expedition vorankommen wollte, mussten die kleinen Jungen zurückbleiben. Von Horsa erging ein Erlass. Keiner durfte zur »Flotte« gehören und mit den Männern fahren, solange er keinen Männerkörper besaß. Hieß das, dass sie in der Pubertät sein mussten? Oder älter? Ganz sicher hieß es, dass eine Gruppe von Jungen schmollte, zürnte, weinte und die Maßnahme für ungerecht erklärte.
    Doch Horsa war unnachgiebig. Die kleineren Jungen mussten an der Küste bleiben, und die größeren, die Jäger und Fährtenleser, mussten auf sie aufpassen. Dieser Teil von Horsas Leuten würde parallel zu den Männern mit den Booten am Ufer entlanggehen. Und am Abend würden dann alle am Feuer zusammentreffen und feiern … Ja, das war reine Theorie, selbst für Horsas Verhältnisse, der sich durch diesen »Erlass« als einer jener Anführer erwies, die davon ausgehen, dass sich Probleme von selbst erledigen.
    An einer Küste gibt es Meeresarme und Flussmündungen, die sehr breit sein können, Sümpfe und Klippen, und auch wenn die großen Jungen über die Kinder wachten – es war mit Sicherheit schwierig, sich an der Küste voranzuarbeiten. Und es gab wilde Tiere. Alle Jungen trugen Waffen. Was für Waffen? Erwähnung finden Messer aus Muschelsplittern oder geschärften Knochen, eine Art Katapult, mit dem man sogar große Tiere töten konnte, sowie Pfeil und Bogen. Diese kleinen Jungen wussten sich zu verteidigen. Doch bald waren

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