Die Knickerbocker Bande 16 - SOS vom Geisterschiff
Kellerabgang. Die Stiege führte in den unterirdischen Weinkeller, in dem noch heute links und rechts Holzfässer lagen und in der Mitte eine kleine Straße bildeten. Erwin haßte nichts mehr, als durch sie durchzugehen.
Wimmern, Stöhnen, heftiges Atmen, Weinen, dumpfes Klopfen und sogar schwache Hilferufe schallten ihm entgegen. Er wußte keinen anderen Ausweg, als sich jedesmal die Ohren zuzuhalten und mit gesenktem Kopf an den Fässern vorbeizurennen.
Erleichtert atmete er auf. Wieder einmal hatte er es geschafft und die Tür zu einem weiteren Gang erreicht. Er war vor vielen Jahren als geheimer Weg in den Stein gehauen worden und führte direkt zum Rhein. Wahrscheinlich hatten ihn Schmuggler oder anderes finsteres Gesindel benutzt. „Finsteres Gesindel“, dachte Erwin und lachte leise auf. „Was bin denn ich? Stockfinsteres Gesindel. Gegen das, was ich jetzt tun muß, waren alle meine Gaunereien Kinderstreiche.“
Sein Weg führte ihn - wie immer - an einer sehr alten, schwarz lackierten Eisentür vorbei. Breite Metallbänder und dicke Scharniere machten es unmöglich, diese Tür aufzusprengen. Wer keinen Schlüssel besaß, hatte keinen Zutritt.
Erwin wußte, daß sich hinter dieser Tür das größte Geheimnis von Dr. Franka verbarg.
Eigentlich hatte Erwin vorgehabt, seinen Auftrag so schnell wie möglich zu erledigen, und deshalb eilte er an der Tür vorbei. Wenige Stufen danach blieb er dann aber stehen und drehte sich um. Hatte er sich verschaut, oder steckte der Schlüssel tatsächlich im Schloß der Tür?
Nein! Erwin spürte, wie ihm der Schweiß aus allen Poren trat. Er hatte sich nicht verschaut. Der Schlüssel war da. Dr. Franka schien ihn vergessen zu haben.
Schon lange fragte sich der kleine Gauner, was dieser Doktor eigentlich tat. Wozu die schrecklichen Taten, die er ausführen mußte?
Einige Sekunden lang zögerte der Mann, doch dann stand sein Entschluß fest. Er wollte nun wissen, was sich hinter der Tür befand. Mutig lief er das kleine Stück zurück und drückte die Klinke nieder. Hinter der Tür herrschte tiefe Finsternis.
Erwin wußte, daß der Raum elektrisches Licht besaß, und versuchte den Schalter zu finden. Gleichzeitig achtete er darauf, nicht zu weit in den Raum zu gehen. Wer weiß, was ihn darin erwartete.
Endlich hatte er ein Kabel mit einem Stecker gefunden, das von der Decke hing. Die dazupassende Steckdose war auch schnell entdeckt. Mit zitternden Fingern stellte der Mann den Kontakt her, und eine nackte Glühbirne an der Decke flammte auf.
Erwin schrie nicht. Er lief auch nicht davon. Er fiel auch vor Schreck nicht um.
Wie angewurzelt stand er da, klappte den Mund stumm auf und zu und hatte das Gefühl zu erstarren. Er war weder zu einer Bewegung noch zu einem Laut fähig.
Er hatte mit allem gerechnet, aber damit nicht. Fassungslos... völlig fassungslos starrte er darauf.
Es dauerte fast eine Minute, bis er es schaffte, aus dem Raum zu stürzen, die Tür zuzuschlagen und abzusperren. Keuchend lehnte er sich von außen dagegen.
„Ich werde mir überlegen müssen, ob Sie morgen noch eine Pille bekommen“, ertönte die Stimme von Dr. Franka. „Es war Ihnen strengstens verboten, diesen Raum zu betreten.“
Erwin zögerte keine Sekunde, sondern stürzte die Treppe hinunter und blieb erst wieder stehen, als ihm die kalte Abendluft entgegenschlug.
Aber Fräulein Hegemann!
Von draußen drang lautes Hundegekläff durch das geschlossene Fenster. Axel fand in dieser Nacht keine Ruhe und schoß erschrocken im Bett in die Höhe. Jürgen, der im Bett auf der anderen Zimmerseite lag, schien das Gebell nicht gehört zu haben. Aus seiner Richtung kam nur tiefes, zufriedenes Atmen.
Müde, verschlafen und sehr erschöpft kroch der Knickerbocker aus dem Bett und zog sich die Schlafanzughose hinauf. Der Gummi war gerissen, deshalb rutschte sie immer hinunter.
Axel tappte zum Fenster und warf einen Blick nach unten. Die Straßenlaternen erhellten den schmalen Wiesenstreifen um das Jugendwohnheim nur schlecht. Trotzdem aber konnte der Junge etwas erkennen, das ihn erschrecken ließ. Wie ein heißer Blitz zuckte der Schock durch seine Arme und Beine.
Ein blonder Kopf machte sich unten an einem Fenster im Erdgeschoß zu schaffen. Blond! Blond! Blond! Dieser Gedanke hämmerte wild in Axels Kopf. Das war der eiskalte Blonde, der Wahnsinnige, der sie foltern lassen wollte. Er versuchte, in das Heim einzudringen, und bestimmt galt sein nächtlicher Besuch den
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