Die Knickerbocker Bande 20 - Insel der Ungeheuer
Taschenlampe war zu erkennen, daß das Wesen ein Fell zu haben schien, das naß und glatt an seinem langen Körper klebte.
So schnell, wie es aufgetaucht war, verschwand es auch wieder im Wasser. Lilo und Axel schrien aus Leibeskräften und schlugen um sich. Sie wollten zurück auf den Fels.
Da war das Meeresungeheuer aber schon wieder. Groß und drohend bäumte es sich über den zwei Freunden auf. Es besaß keine Nase und nur ein einziges, handtellergroßes, dunkles Auge in der Mitte der Stirn. Seine Lippen waren wulstig und fleischig und wurden von dem Untier ständig zusammengepreßt und dann gleich wieder nach außen gestülpt.
Noch immer brüllten die beiden Freunde, und ihr Geschrei mischte sich mit dem Grölen des Stiermenschen, der aus dem Tunnelausgang zu der Felsplatte wankte. Damit schnitt er den Knickerbocker-Kumpels den Weg aus dem Wasser ab.
Das Meermonster schlug mit dem Unterkörper und peitschte das schwarze Wasser auf, bevor es wieder gurgelnd versank.
Die Schrecken waren damit noch nicht zu Ende, sondern fingen erst richtig an. „Axel, halt mich! Halt mich! Hilfe, ich ertrinke!“ keuchte Lieselotte. Axel streckte den Arm nach seiner Freundin aus, bekam sie aber nicht zu packen. Er mußte zusehen, wie sie in die Tiefe gerissen wurde.
Das Mädchen strampelte und tobte. Es war nämlich von den weichen, aber eiskalten Lippen des Ungeheuers am Bein gepackt und nach unten gezogen worden.
Es mußte sich nun befreien. Losreißen! Losreißen! Aber wie?
„Hmiuaaaa!“ Lieselotte schaffte es, sich an die Oberfläche zu kämpfen und den Kopf aus dem Wasser zu stecken. Sie rang nach Luft, doch der Schreck schnürte ihr wie ein enges Korsett die Brust zu. Es gelang ihr erst wieder zu atmen, als sie spürte, wie der glitschige Körper des Monsters an ihr vorbeiglitt und verschwand.
Aber wieder dauerte der Frieden nur Augenblicke. Abermals spritzte das Wasser, und das Untier schoß in die Höhe. Diesmal hatte es sein Maul weit aufgerissen und präsentierte ein Gebiß aus mehreren hundert stricknadeldünnen Zähnen. Wer in diese Fänge geriet, der wurde durchlöchert und zerfetzt.
„Lilo! Lilo! Lebst du?“ rief Axel verzweifelt. „Ja, ja!“ antwortete das Mädchen. Es folgte ein entsetzter Schrei seines Kumpels, der gleich darauf verschwunden war. „Axel!!!“ Lilos Schrei gellte durch die Höhle.
Nun hatte sich das Untier auf den Jungen gestürzt und ihn mit den Lippen gepackt. Mehrere Male spürte Axel, wie das Monster das Maul weiter öffnete, um zuzubeißen, und ihn die Zähne streiften. Aber jedesmal gelang es ihm, das Bein fortzuziehen. Die Zähne waren so lang, daß dazwischen nur wenig Platz blieb, um die Beute in das Maul zu saugen und zu zermahlen.
In seiner Not tauchte und schwamm Axel einfach drauflos. Hauptsache, er konnte dem Monster entkommen. Aber plötzlich spürte er die kalte Felswand an seinem Rücken. Hier war der Rückweg zu Ende. Er strampelte wild mit den Beinen und brachte das Wasser zum Schäumen. Und mit einemmal kippte er zur Seite, und die Wogen schlugen über seinem Kopf zusammen.
„Axel!“ brüllte Lieselotte wieder, so laut sie konnte. Aber sie bekam keine Antwort. „Axel!!!“ Das Mädchen brach in Tränen aus. „Bitte... sag was... sag was... bitte“, flehte es. „Axel...“ Lilo wimmerte, und ihre Kinnlade zuckte und zitterte. Die Tränen schossen ihr in die Augen. Bis auf das Grunzen des Stiermenschen war es plötzlich wieder still in der Höhle.
Klatsch! Ohne Vorwarnung raste das Meeresungeheuer wieder an die Oberfläche und sprang fast zur Gänze aus dem Wasser. Sein langer Schlangenkörper wurde nach hinten hin immer dünner und dünner und endete in einem knochigen Schwanz mit einem Knorpeldreieck daran. Das Monster klatschte wieder auf die Wellen und paddelte heftig mit seinem Hinterteil. Auf diese Weise hielt es sich in der Luft. Es glotzte Lilo mit seinem Auge an und riß das Maul riesig weit auf. Lilos Verzweiflung schlug nun in einen Anfall von Mut um, der ihr ungeahnte Kräfte gab. Sie holte aus und schleuderte die Taschenlampe mit voller Wucht in das Maul des Untiers. Das Mädchen traf. Und nicht nur das. Die Lampe verspreizte sich zwischen Zunge und Gaumen, und das Monster stieß plötzlich verzweifelte, gurgelnde Laute aus. Ein scharfes, fast quietschendes Knirschen ertönte, und es roch verbrannt und nach Öl. Wie eine Marionette, der jemand die Fäden abgeschnitten hatte, sackte das Ungeheuer in sich zusammen und verschwand blubbernd
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