Die Knickerbocker Bande 37 - Die giftgelbe Geige
„Von den Möbeln konnte ich mich noch nicht trennen. Deshalb sieht es hier so aus.“ Erwartungsvoll blickte sie nun Attila an.
Der Kameramann begann stockend zu erzählen. Als Susan- nas Mutter hörte, was mit ihrer kleinen Tochter geschehen war, geriet sie außer sich.
„Nein, sagen Sie, daß das nicht wahr ist. Bitte!“ flehte sie. „Das darf nicht wahr sein. Nein!“ Sie war aufgesprungen, hatte Attila am Kragen seines Sakkos gepackt und schüttelte ihn, als wäre er der Entführer. „Kein Unglück mehr! Bin ich nicht schon genug bestraft worden?“ weinte sie.
Lieselotte horchte auf. „Genug bestraft? Was meinen Sie damit?“ fragte sie vorsichtig.
Ein merkwürdiger Zufall
„Seit mein Vater tot ist, werden Susanna und ich vom Unglück verfolgt“, sagte Amalia Bosch leise. „Zuerst ist meine Mutter gestorben, und dann ist Susannas Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen.“
Frau Bosch seufzte tief und setzte dann fort: „Nachdem mein Vater gestorben war, erfuhr ich, daß wir genau besehen bitter arm waren. Es ist mir fast nichts geblieben, nachdem ich alle Schulden bezahlt hatte. Und die Schicksalsschläge nahmen kein Ende. Susanna wurde schwerkrank. Wäre Gabor Hunor nicht gewesen, hätte ich meinem Kind nicht einmal die Medizin kaufen können. Zum Glück gibt es noch Menschen wie ihn. Er hat alle Kosten übernommen und Susanna in seiner Kuranstalt behandelt. In diesen zwei Zimmern ist das Unglück daheim. Ständig wird etwas kaputt. Der Herd, die Heizung, die elektrischen Leitungen, die Wasserleitung. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren fünf Wasserrohrbrüche gehabt. Dreimal ist mein Herd explodiert! Und die Reparaturen sind so teuer. Ich verdiene nicht viel und kann sie kaum bezahlen. Jedesmal muß ich ein Erbstück verkaufen.“
Amalia Bosch konnte nicht mehr weitersprechen. Sie stützte den Kopf in die Hände und heulte herzzerreißend. „Was wird geschehen, wenn ich nichts mehr habe? Meine arme kleine Susanna ... das Geld, das sie im Zirkus der Rekorde verdient, brauche ich für unser Leben. Ich kann ihr nicht einmal eine gute Lehrerin bieten, damit sie weiter Stunden nimmt.“
Attila setzte sich neben Frau Bosch und legte den Arm um ihre Schultern.
Lilo wagte schließlich zu fragen: „Frau Bosch ... gibt es einen Menschen, vor dem Susanna große Angst hat?“
Amalia blickte auf. Sie lächelte verlegen und sagte: „Susanna redet seit zwei Jahren nicht mehr. Sie ... sie ist wie in einer anderen Welt. Ich weiß es nicht. Aber ich kann es mir ... nicht vorstellen!“
„Woher hat sie eigentlich diese giftgelbe Geige?“ fragte Axel.
Frau Bosch überlegte. „Von meinem Vater ... oder? Nein, sie hat sie von jemandem geschenkt bekommen, aber ich weiß nicht einmal, von wem. Sie gibt sie jedenfalls nie her. Niemals! Sie muß sogar neben ihrem Bett liegen, wenn sie schläft!“
Die Knickerbocker blickten einander an.
Merkwürdig ... Warum hatte Susanna Poppi die Geige überreicht? Es mußte mit der Angst vor diesem Taxifahrer und der Art von Freundschaft zu tun haben, die Poppi und Susanna durch bloße Blicke geschlossen hatten.
„Geige . Teufelsgeiger!“ fiel Lieselotte plötzlich ein. Ein merkwürdiger Zufall .
Attila brachte die Juniordetektive in ein nobles, altes Hotel, in dem zwei Zimmer für sie reserviert worden waren. „Ihr seid sehr gut, besonders Dominik, ich bin beeindruckt!“ sagte er zu den vier Freunden. „Es hat mir Spaß gemacht, mit euch zu arbeiten. Ich wünschte, viele alte Fernsehhasen wären solche Profis“
Die Knickerbocker nickten, konnten jedoch im Augenblick nicht besonders stolz auf ihre Leistung sein. Sie mußten viel zu sehr an Susanna und deren verzweifelte Mutter denken.
Attila setzte die Knickerbocker vor dem Hotel ab und reichte ihnen seine Karte. „Da steht meine Adresse und Telefonnummer drauf, wenn ihr wieder einmal nach Budapest kommt“, sagte er und zwinkerte den vieren mit seinen gutmütigen Augen zu. Danach händigte er ihnen die beiden großen Videokassetten aus, auf denen sich die Aufnahmen befanden, und wünschte ihnen noch einen schönen Abend.
Der Hotelportier zog die Augenbrauen hoch, als die Knickerbocker-Bande nach den Zimmern fragte.
„Sollte euch nicht eine Aufpasserin begleiten?“ fragte er kühl.
„Aufpasserin? Wir sind keine Sträflinge, die aus einem Gefängnis entflohen sind. Sie meinen unsere Begleiterin. Sie ist Fernsehreporterin und mußte in letzter Sekunde zu einem Großbrand“, sagte
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