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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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bezahlt.«
    »Bewahren Sie die Quittungen gut auf. Sie behalten ihre Gültigkeit bis zum nächsten Mal. Gehen Sie heim. Die Mitarbeiter des Kühlhauses machen Tag und Nacht Überstunden, um den heutigen Ankauf zu verarbeiten. Sowie wir damit fertig sind, geht der Ankauf weiter.« Der Mann mit dem Megaphon versuchte, sie zu beschwichtigen.
    Von hinten drängten die Leute nach vorne. Sie brüllten, riefen, weinten und fluchten.
    Der Mann mit der Flüstertüte sprang vom Tisch und rannte gebückt weg. Das große Eisentor vor dem Kühlhaus schloß sich hinter ihm.
    Ein junger Mann mit dunklem Gesicht sprang auf den rotlackierten Tisch und rief: »Scheiße! Für alles braucht man persönliche Beziehungen. Ohne Beziehungen kommt man nicht ins Krematorium. Nicht einmal Knoblauch kann man verkaufen.« Er sprang herunter und verschwand zwischen den Knoblauchhaufen.
    Ein anderer junger Mann, dessen Gesicht mit Pickeln übersät war, kletterte auf den Tisch und brüllte: »Ihr im Kühlhaus, ich ficke eure Mütter zu Tode.«
    Die Knoblauchbauern lachten schallend.
    Ein Mann ergriff den Haken der Waage und schleuderte ihn so kräftig gegen das verzinkte Gittertor, daß es laut schepperte.
    Die Leute, die sich vordrängten, kippten die Waagen um und zerschlugen die Tische. Aus dem Kühlhaus kam ein alter Mann geeilt. »Wollt ihr rebellieren?« fragte er.
    »Schlagt diesen alten Mistkerl! Sein Sohn ist der pockige Liu von der Unternehmervereinigung. Als Pförtner verdient dieser alte Mistkerl hundert Yüan im Monat.«
    »Schlagt ihn, schlagt ihn, schlagt ihn!« Immer mehr Leute strömten zum Tor und rüttelten am Gitter.
    »Onkel Vier«, sagte Gao Yang, »laß uns schnell von hier weggehen. Schlimm genug, daß wir die Knoblauchstengel nicht verkauft haben, aber damit wollen wir nichts zu tun haben.«
    »Ich hätte Lust, reinzugehen und mitzumachen«, erklärte Onkel Vier.
    »Komm, Onkel Vier«, beharrte Gao Yang, »immer nach Osten, da kommen wir im Bogen zur Eisenbahn zurück.«
    Onkel Vier wendete seinen Wagen und trieb die Kuh in Richtung Osten. Gao Yang, der den Esel führte, hielt sich dicht hinter ihm.
    Als sie ein paar hundert Meter zurückgelegt hatten, drehten sie sich um und sahen vor dem Eisentor zum Kühlhaus eine große Flamme auflodern. Ein rot angeleuchteter Mann riß das große Firmenschild des Kühlhauses ab und warf es ins Feuer. Gao Yang sagte zu Onkel Vier: »Das Kühlhaus heißt nicht Kühlhaus, sondern temperaturgeregeltes Lagerhaus. Das stand auf dem Schild.«
    »Wie das heißt, interessiert mich nicht«, sagte Onkel Vier. »Die ganze Schweinerei kann meinetwegen verbrennen.«
    Das große Eisentor wurde aufgebrochen, und eine Menschenmenge strömte in den Hof des Kühlhauses. Die Flammen schlugen hoch und beleuchteten ihre Gesichter. Wellen von Geschrei drangen zu Gao Yang und Onkel Vier, dazu das Geräusch von splitterndem Glas.
    Von Osten näherte sich eine schwarze Limousine. »Hohe Beamte«, vermutete Gao Yang angsterfüllt. Das Auto hielt vor dem Feuer. Mehrere Personen stiegen aus. Sie wurden sofort in den Graben gestoßen. Einige schlugen mit Knüppeln auf das Wagendach. Die Schläge hallten weit. Jemand nahm ein brennendes Holzstück aus dem Feuer und stieß es in den Wagen.
    »Mach schnell, Onkel Vier, mach schnell«, drängte Gao Yang.
    Onkel Vier bekam es nun auch mit der Angst und ließ seinen Zweig auf das Hinterteil der Kuh herabsausen.
    Im Weitergehen hörten sie hinter sich einen dumpfen Knall. Eine Feuersäule stieg auf, höher als ein Haus. Kilometerweit reichte ihr Leuchten.
    Gao Yang wußte nicht, ob er sich freuen oder fürchten sollte. Sein Herz hämmerte laut. Auf seinen Handflächen bildete sich klebriger, kalter Schweiß.
4
    Als sie die Kreisstadt verlassen und die Eisenbahnschienen überquert hatten, verspürte Gao Yang die Erleichterung eines Menschen, der gerade einem Wolfsrachen entronnen ist. Wie es Onkel Vier erging, wußte er nicht. Er hielt die Luft an, um zu lauschen. Der Tumult am Kühlhaus war immer noch zu hören.
    Ein paar Meilen weiter hörten sie neben der Straße das Tuckern eines Dieselmotors und das Plätschern fließenden Wassers. An der Stelle, von der das Geräusch herkam, leuchtete eine schwache gelbe Lampe. Von dem Geplätscher bekam Gao Yang unerträglichen Durst. Onkel Vier ging es wohl ähnlich; auch er hatte den ganzen Tag keinen Schluck und keinen Bissen hinter die Zähne gebracht. Gao Yang sagte: »Onkel Vier, paß auf meinen Wagen auf. Ich gehe etwas

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