Die Knoblauchrevolte
Augen auf; er begriff nicht, was man von ihm wollte. Der Kontrolleur schwenkte seinen weißen Zettel und sagte: »Ich bekomme einen Yüan.«
»Wofür denn?« fragte Gao Yang ängstlich.
»Straßenverkehrsgebühr«, erklärte der Kontrolleur kalt.
»Ich habe nur einen Eselswagen.«
»Auch Handkarren müssen bezahlen.«
»Genosse«, sagte Gao Yang, »ich habe kein Geld. Meine Frau hat gerade ein Kind bekommen. Wir haben alles Geld ausgegeben.«
»Beeil dich mit der Bezahlung. Ohne dieses Papier« – er schwenkte den weißen Zettel – »darf dir die Genossenschaft deinen Knoblauch nicht abnehmen.«
»Ich habe wirklich kein Geld.« Gao Yang kehrte seine Jackentaschen nach außen: »Sehen Sie, wirklich kein Geld.«
»Dann bezahl mit Knoblauchstengeln, gib mir drei Pfund Knoblauchstengel«, sagte der Kontrolleur.
»Drei Pfund Knoblauchstengel sind drei Yüan, Genosse.«
»Wenn dir das nicht paßt, bezahl mit Bargeld.«
»Willst du mich zwingen?«
»Was heißt hier zwingen? Glaubst du, ich mache das zum Spaß? Ich befolge eine staatliche Vorschrift.«
»Wenn das so ist, dann nehmen Sie sich Knoblauch.«
Der Kontrolleur griff sich ein Bündel Knoblauchstengel und warf es in einen großen Korb, den ihm zwei Halbwüchsige nachtrugen. Dann drückte er seinen roten Stempel auf den weißen Zettel und übergab ihn Gao Yang.
Auch von Onkel Vier verlangte der Kontrolleur Geld. Onkel Vier fand in einer Innentasche seiner Jacke zwei zerknitterte Geldscheine, überreichte sie ihm und bekam ebenfalls das weiße Papier mit dem roten Stempel.
Der Korb, den die beiden Halbwüchsigen hielten, wurde schnell voll. Sie lüpften ihn und trugen ihn schwankend zum Verkehrspostenstand, hinter dem ein großer Lastwagen hielt. Zwei weißgekleidete Männer lehnten mit verschränkten Armen an der Ladeklappe. Sie wirkten wie Transportarbeiter.
Mindestens zwanzig graugekleidete Kontrolleure mit schwarzen Ledertaschen waren in diesem Straßenabschnitt beschäftigt. Ein junger Mann in rotem T-Shirt stritt sich mit einem Kontrolleur und machte aus seinem Herzen keine Mördergrube.
»Wißt ihr, was ihr seid? Ihr Mösengeburten seid noch schlimmer als die beschissene Kuomintang.«
Ohne eine Miene zu verziehen, gab der Kontrolleur ihm eine wohlgezielte Ohrfeige.
»Du schlägst mich? Du wagst es?« schrie der Mann im roten T-Shirt.
»Aber immer«, sagte der Kontrolleur gelassen. »Beschimpf mich ruhig noch einmal.«
Der junge Mann wollte sich auf den Kontrolleur stürzen, wurde aber von zwei Älteren zurückgehalten. »Laß sie, laß sie, wenn sie Geld von dir wollen, bezahl es und halt den Mund.« Ein paar Schritte weiter hockten zwei weißgekleidete Polizisten an einer Pappel und rauchten.
Gao Yang verstand nicht, was an der Beschimpfung so schlimm gewesen war. Natürlich war der Kontrolleur von einer Möse geboren worden und nicht von einem Arschloch. Die Wahrheit hört sich manchmal eben nicht sehr fein an. Er freute sich, daß er nicht mit dem Kontrolleur aneinandergeraten war, aber sobald er an sein Bündel frischer Knoblauchstangen dachte, tat ihm das Herz weh. Er seufzte tief.
Der Vormittag war schon zur Hälfte um, aber Gao Yangs Esel war kaum von der Stelle gekommen. Die Straße nach Osten war schwarz von Wagen, und in westlicher Richtung sah es kaum besser aus. Von Onkel Vier wußte er, daß sich die Ankaufstelle für Knoblauchstengel am Kühlhaus befand, das anderthalb Kilometer weiter lag. Dort schrien Menschen und wieherten Pferde, es war ein Gebrodel wie in einem Topf, in dem Teigtaschen kochen. Gao Yang hätte sich das gern aus der Nähe angesehen, traute sich aber nicht, seinen Platz zu verlassen.
Sein Magen meldete sich mit einem leichten Hungergefühl. Er hatte einen kleinen Beutel auf dem Wagen, dem er einen aus Zweikornmehl gebackenen Pfannkuchen und ein Stück Salzgemüse entnahm. Von beidem bot er Onkel Vier an, der aber ablehnte. Gao Yang drängte ihn nicht weiter und biß abwechselnd in seinen Pfannkuchen und das Salzgemüse.
Nachdem er die Hälfte verzehrt hatte, zog er fünf Knoblauchstengel aus der Ladung und stellte sich vor, der Kontrolleur hätte ihm diese fünf Stengel zusätzlich abgenommen. Dann könnte er sie auch nicht mehr verkaufen. Die Knoblauchstengel waren knackig und süß. Sie zu essen war ein Genuß.
Er war noch nicht fertig, da tauchte schon wieder ein Uniformierter mit Schirmmütze vor ihm auf. Er bekam einen ziemlichen Schreck, suchte eilig den weißen Zettel heraus und zeigte ihn vor.
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