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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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»Genosse, ich habe schon bezahlt.«
    Der Mann warf einen prüfenden Blick auf den Zettel und erklärte: »Das ist die Straßenverkehrsgebühr. Ich bin vom Börsenbüro der Unternehmervereinigung. Du mußt zwei Yüan Börsensteuer bezahlen.«
    Gao Yang fühlte Ärger in sich aufsteigen. »Ich habe noch nicht einen einzigen Knoblauchstengel verkauft.«
    »Wenn du erst mal kassiert hast«, sagte der Börsenbeamte, »sehen wir dich nur noch von hinten.«
    »Ich habe kein Geld«, sagte Gao Yang wütend.
    »Ich sage dir, ohne den Nachweis, daß du die Börsensteuer bezahlt hast, darf dir die Ankaufsgenossenschaft deinen Knoblauch gar nicht abnehmen.«
    Gao Yang bezähmte seine Wut. »Genosse, ich habe wirklich kein Geld.«
    »Wenn du kein Bargeld hast, bezahlst du mit fünf Pfund Knoblauchstengeln.«
    Gao Yang wurde schwindlig, und er war den Tränen nahe. »Genosse, ich besitze nichts als diese paar Pfund Knoblauchstengel. Im Westen drei Pfund, im Osten fünf Pfund, was bleibt mir dann noch übrig? Meine Frau und meine Kinder arbeiten Tag und Nacht. Es ist nicht einfach, ein paar Pfund Knoblauchstengel zu ernten, Genosse.«
    Nicht ohne Mitgefühl erklärte ihm der Börsenvertreter: »Du übst eine unternehmerische Tätigkeit aus. Also bist du auch verpflichtet, eine Geschäftssteuer zu bezahlen. Das ist die Politik des Staates.«
    »Wenn das die staatliche Politik ist, dann bedienen Sie sich. Getreide für den Kaiser, Steuer für den Staat. Ihr bringt mich um, und ich kann mich nicht wehren …« Die letzten Sätze murmelte Gao Yang leiser, während der Börsenvertreter sich ein Bündel Knoblauchstangen aussuchte und es in den Korb hinter sich warf. Die Korbträger waren wieder zwei halbwüchsige Jungen, die wie Marionetten wirkten. Als Gao Yang seine Knoblauchstengel in dem großen Korb verschwinden sah, spürte er ein Beißen in der Nase, und zwei Tränen traten ihm in die Augenwinkel.
    Um die Mittagszeit brannte die Sonne so heftig, daß Mensch und Tier apathisch wurden. Der Esel ließ einige Äpfel fallen. Sofort erschien ein grau uniformierter Mann mit Schirmmütze und füllte ein weißes Formular aus. »Ich bin von der Umweltschutzbehörde. Zwei Yüan Geldstrafe.«
    Ein zweiter Beamter in Schirmmütze und weißer Uniform gesellte sich dazu, schrieb etwas auf einen weißen Zettel und forderte: »Zwei Yüan Geldstrafe. Ich bin vom Amt für Stadthygiene.« Gao Yang starrte die vor ihm stehenden Uniformträger fassungslos an und sagte matt: »Ich habe kein Geld. Bitte nehmen Sie Knoblauchstengel.«
3
    Gegen Abend näherten sich Gao Yangs Eselswagen und Onkel Viers Ochsenkarren der Ankaufstelle für Knoblauch. Vor dem Tor zum Kühlhaus waren zwei Waagen aufgestellt, hinter denen Männer mit leichengrauen Gesichtern saßen.
    Zwischen den Leuten, die die Waagen bedienten, gingen einige Uniformierte hin und her. Als Gao Yang sie erblickte, überlief es ihn eiskalt.
    »Endlich sind wir dran«, sagte Onkel Vier zufrieden. »Es ist soweit«, bestätigte Gao Yang.
    Der Wiegemeister rief laut das Gewicht der Knoblauchstengel aus und schrieb die Zahlen auf eine Fünffachquittung.
    Als nächster war Onkel Vier dran. Gao Yang merkte, daß Onkel Vier sich etwas unbehaglich fühlte, und diese Beobachtung verursachte ihm selber Herzklopfen. Als er einen Qualitätskontrolleur neben der Waage stehen sah, klopfte sein Herz noch schneller. Ein Uniformierter, der ein Megaphon in der Hand hielt, kletterte auf einen roten Tisch, um eine Ansage zu machen: »Alle Knoblauchbauern, bitte mal herhören. Das Kühlhaus stellt kurzfristig den Ankauf von Knoblauchstengeln ein. Die neuen Ankauftermine werden wir rechtzeitig allen dörflichen Genossenschaften mitteilen. Die Genossenschaften werden Sie informieren.«
    Gao Yang hatte das Gefühl, einen Schlag auf den Kopf zu bekommen. Ihm wurde schwindlig, er sah Sterne und mußte sich an der Kruppe des Esels festhalten, um nicht hinzufallen.
    »Sie nehmen nichts mehr ab?« rief Onkel Vier ungläubig. »Ich bin an der Reihe, und Sie wollen mir nichts mehr abnehmen? Ich bin seit Mitternacht unterwegs und habe den ganzen Tag gewartet.«
    »Gehen Sie nach Hause, warten Sie ein paar Tage. Wir werden Sie benachrichtigen, wenn im Kühlhaus wieder Platz ist.«
    »Genosse«, bat Onkel Vier. »Ich habe einen Weg von mehr als fünfundzwanzig Kilometern nach Hause.«
    Der Wiegemeister nahm sein Rechenbrett in die Hand und stand auf.
    »Genosse, ich habe schon Börsensteuer und Straßenverkehrsgebühren

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