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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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produzierten.
    Der Flügelschlag von Vögeln teilte die Luft. In den dunklen Ecken des Hofs glühten die grünen Augen wilder Tiere, und man hörte ihr Gehechel. Um Mitternacht waren die Söhne mit dem Abziehen des Fells fertig. Der bis auf die vier Hufe grausam entblößte Leib der Kuh erinnerte an einen nackten Menschen in Lederschuhen. Der zweite holte zwei Eimer Wasser und goß sie über den Kadaver. Dann hockten sich die Brüder hin, um eine Zigarette zu rauchen.
    Anschließend fingen sie mit dem Zerlegen an. Der Ältere sagte: »Paß auf, daß du nicht in den Darm einschneidest.« Der zweite öffnete die Bauchdecke, und die inneren Organe der Kuh quollen heraus, desgleichen das kleine Kalb. Tante Vier atmete den warmen Blutgeruch ein. Raubvögel kreisten schreiend am Himmel.
    Die Brüder zogen Schlinge für Schlinge den Darm heraus. Der zweite sagte, mit dem Darm könne man nichts anfangen. Gründlich gewaschen, meinte der Ältere, schmeckten Magen und Darm gut zum Wein. Und aus ungeborenen Kälbern könne man Arznei herstellen. Es gebe Leute, die sie als Hirschembryosalbe verkauften und damit viel Geld verdienten.
    Schwägerin, sei nicht traurig. Sie haben dich zu fünf Jahren verurteilt? Die Zeit vergeht so schnell. Und wenn du wieder rauskommst, wird dein Kind schon sehr anstellig sein.
4
    »Ich wäre lieber Militäradministrator als Nachlaßvollstrecker«, sagte Dorfvorsteher Gao Jinjiao. »Wer hat mir das nur eingebrockt? Aber ein Beamter, der nichts für die Bevölkerung tut, sollte lieber nach Hause gehen und Süßkartoffeln verkaufen. Wenn ihr also etwas vorzubringen habt, dann sagt es gleich. Spätere Einwände können nicht berücksichtigt werden.«
    »Dorfvorsteher«, sagte der Ältere Sohn, »bitte nehmen Sie die Aufteilung vor.«
    »Also gut. Das Haus hat vier Zimmer. Für jeden Sohn eins. Zwei für Tante Vier. Wenn Tante Vier stirbt – nimm es mir nicht übel, Tante Vier, aber die Wahrheit klingt nicht immer angenehm –, bekommen die Söhne wieder jeder einen Raum. Diese zwei Zimmer sind unterschiedlich groß. Deshalb werden zum kleineren das Hoftor und der Torüberbau dazugeschlagen. Alle anderen Haushaltsgegenstände werden in drei Teile aufgeteilt. Wer welchen Teil bekommt, wird durch das Los entschieden. Der Schadenersatz für Onkel Vier und die Kuh beläuft sich auf dreitausendsechshundert Yüan. Das wären zwölfhundert für Tante Vier und zwölfhundert für jeden Sohn. Auf dem Sparbuch befinden sich eintausenddreihundert Yüan. Jeder Sohn erhält vierhundert, Tante Vier fünfhundert. Wenn Gao Ma die zehntausend Yüan bringt, bekommt Tante Vier fünftausend, die Söhne jeder zweitausendfünfhundert. Für Jinjüs Hochzeit muß Tante Vier die Mitgift aufbringen, ihre Brüder können freiwillig etwas dazugeben. Wenn sie das nicht wollen, kann man sie nicht zwingen. Sämtliche Getreidevorräte werden in dreieinhalb Anteile aufgeteilt. Der halbe Anteil gehört Jinjü. Wenn Tante Vier alt und krank wird und sich nicht mehr bewegen kann, müssen ihre Söhne sie abwechselnd pflegen, und zwar jeweils einen Monat oder ein Jahr lang. Das kann dann noch vereinbart werden. Das wäre es im großen und ganzen. Gibt es Einwände?«
    »Was ist mit dem Knoblauch?« fragte der Ältere.
    »Der Knoblauch wird auch durch drei geteilt. Aber Tante Vier ist schon so alt, daß sie ihren Knoblauch nicht mehr selbst zum Markt bringen kann. Am besten legen wir ihren Anteil mit dem des Ältesten zusammen, damit er den Verkauf übernimmt. Einverstanden?«
    »Dorfvorsteher, Sie wissen, was mit meinem Bein los ist«, sagte der Ältere.
    »Dann legen wir ihren Anteil mit dem des Jüngeren zusammen.«
    »Wenn mein Bruder sich weigert«, sagte der Jüngere, »will ich erst recht nichts damit zu tun haben.«
    »Es handelt sich um deine Mutter, der du helfen sollst, und nicht um jemand Fremden«, sagte Gao Jinjiao.
    »Ich verlasse mich auf niemanden«, erklärte Tante Vier, »ich verkaufe meinen Knoblauch selbst.«
    »Um so besser«, sagte der zweite.
    »Gibt es noch was aufzuteilen?« fragte der Dorfvorsteher.
    »Soviel ich weiß«, sagte der Ältere, »besaß mein Vater noch eine wattierte Jacke.«
    »Du kleine Kröte«, sagte Tante Vier, »dir entgeht wohl gar nichts. Die wattierte Jacke behalte ich. Ich werde sie tragen.«
    »Mutter«, sagte der Ältere, »es heißt, wenn die Kinder Vaters wattierte Jacke und Mutters Fußbinden weitertragen, kommt Reichtum ins Haus. Wozu brauchst du die Jacke?«
    »Wenn wir schon teilen«,

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