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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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denken. Um es ganz deutlich zu sagen, es geht um Geld. Man muß das tun, was einem das meiste Geld einbringt. Wenn ihr Anzeige erstattet, kommt es höchstens dazu, daß der Fahrer verurteilt wird. Und was bringt euch das? Der Staat geht nach dem Gesetz vor. Im besten Fall bekommt ihr ein paar hundert Yüan Beisetzungskosten. Parteisekretär Wang hat überall im Kreis Beziehungen. Wenn sein Fahrer verurteilt würde, könnte er innerhalb von zwei Monaten wieder freikommen und weiter Auto fahren. Aber ihr hättet Parteisekretär Wang verärgert und wärt bei ihm schlecht angeschrieben. Dann könntet ihr alle eure Heiratspläne in den Wind schreiben. Doch wenn ihr keine Anzeige erstattet, nach Hause geht und in Ruhe den Toten bestattet, dann werden alle sagen, ihr seid anständige Kerle. Ihr macht euch einen guten Namen. Vorhin erst hat Parteisekretär Wang zu mir gesagt, er verspricht euch, daß es nicht euer Schaden sein soll, wenn ihr damit einverstanden seid, die Sache privat zu bereinigen. Überlegt euch gut, was ihr tut. Es ist eure Entscheidung.«
    »Dreht sich denn alles nur ums Geld?« warf Gao Ma ein.
    »Ach«, sagte Assistent Yang, »bist du auch da? Was hast du heute vor? Anderer Leute Töchter verführen? Unverheirateten Frauen ein Kind machen? Die Heiratspläne von drei Paaren ruinieren oder ganze Familien zugrunde richten? Was bist du bloß für ein Mensch. Jungens, ihr müßt selber entscheiden. Ich will mich nicht einmischen, damit man mir nicht nachsagt, daß ich nur meinen Vorteil im Auge habe.«
    »Gao Ma«, sagte der Ältere, »wir haben genug von dir. Beeil dich, uns die zehntausend Yüan zu bringen. Dann kannst du mit Jinjü verschwinden. Ich möchte sie nicht als Schwester haben und dich nicht als Schwager.«
    Gao Ma bekam einen roten Kopf und ging wortlos fort.
3
    In der dunklen Zelle erinnerte sich Tante Vier wieder daran, wie Onkel Vier aus dem Hof der Gemeindeverwaltung ins Dorf zurückgetragen wurde. Ihr erster Sohn ging voran, der Jüngere hinterher. Da der Ältere beim Gehen hinkte, schwankte der Türflügel, und Onkel Viers Kopf rollte auf dem Brett hin und her, aber das Poltern, mit dem sein Kopf auf dem Holz aufschlug, klang nicht mehr so hell wie vorhin. Kaum waren sie durch das Tor der Gemeindeverwaltung hindurch, da wurde es hinter ihnen abgeschlossen. Ein Gefühl der Leere im Herzen, drehte Tante Vier sich um und blickte zurück. Wie aus dem Boden gewachsen, erschien eine große Zahl von Amtspersonen im Hof. Sie standen in Grüppchen herum und trugen belustigte Mienen zur Schau. Assistent Yang stand mitten unter ihnen und zeigte den gleichen Gesichtsausdruck wie die anderen.
    Beim Rücktransport von Onkel Viers Leiche ging es nicht mehr so lebhaft zu wie am Morgen. War ihnen auf dem Hinweg alles gefolgt, was Beine hatte, so wurden sie jetzt nur von einigen bellenden Hunden begleitet.
    Zu Hause angekommen, ließen die Söhne die Tragestangen los. Der Türflügel fiel krachend zu Boden. Gao Zhilengs Papageien reagierten mit einer Wolke von Gekreisch. Jinjü öffnete mit starrem Blick die Tür. Tante Vier sagte: »Legt euren Vater aufs Ofenbett.« Die Söhne schwiegen und rührten sich nicht von der Stelle.
    »Mutter«, sagte der Ältere schließlich, »es heißt, man soll Menschen, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind, nicht mehr ins Bett legen.«
    »Euer Vater hat sein Leben lang geschuftet. Hat er nicht jetzt, da er tot ist, ein warmes Bett verdient? Ich bringe es nicht übers Herz, ihm das zu verweigern.«
    »Vater ist tot«, sagte der zweite. »Nicht mal ein Federbett kann ihm noch helfen. Der Tod eines Menschen ist wie das Erlöschen einer Lampe. Sein Atem verwandelt sich in Frühlingswind, sein Fleisch verwest zu Schlamm. Auf einer warmen Unterlage geht es nur noch schneller.«
    »Habt ihr vor, euren Vater unter freiem Himmel liegenzulassen?«
    »Wenn er hier liegt, wo ein kühler Wind weht«, sagte der zweite Sohn, »wird er weniger riechen. Außerdem ersparen wir uns die Mühe, ihn morgen wieder umbetten zu müssen.«
    »Sollen ihn die Hunde fressen?« fragte Tante Vier.
    »Heute nacht«, sagte der Ältere, »werden wir die Kuh abhäuten und ihr das Fleisch von den Knochen lösen, damit wir es morgen zum Markt bringen können. Assistent Yang hat recht, den Toten ist alles egal. Was wir tun, muß den Lebenden helfen.«
    Tante Vier war ratlos. »Alterchen«, weinte sie, »deine Söhne lassen dich nicht aufs Ofenbett. Dann mußt du eben auf dem Hof schlafen.«
    »Laß es gut

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