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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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rief die Masse.
    »Der Kreisdirektor sagt, das Kühlhaus der Genossenschaft ist voll. Nehmt eure Knoblauchstengel wieder mit und überlegt euch selber einen Ausweg. Wenn ihr sie verkaufen könnt, verkauft sie, wenn nicht, könnt ihr sie selber essen.«
    »Du kannst uns mal! Erst wollt ihr, daß wir Knoblauch pflanzen, und dann wollt ihr ihn nicht haben. Das ist Betrug.«
    »Ihr habt uns den Verkauf unmöglich gemacht. Ihr habt unsere Gewichte beschlagnahmt und unsere Waagebalken zerbrochen.«
    »Nicht einmal drei Fen will man uns für ein Pfund Knoblauch geben.«
    »Zhong Weimin, komm heraus. Wenn du dein Amt nicht für das Volk führst, geh heim und pflanze Süßkartoffeln!«
    »Knoblauchbauern, macht keinen Blödsinn. Der Kreisdirektor hat wichtige Termine, er hat keine Zeit, herauszukommen.« Das Gesicht des Vizebürochefs war schweißnaß. Zornig stieß er hervor: »Ihr müßt Vernunft annehmen. Der Kreisdirektor ist ein Direktor für den ganzen Kreis. Er muß die wirklich wichtigen Dinge erledigen. Soll er sich hinstellen und eure Knoblauchstengel verkaufen?«
    Als Gao Yang diese Worte hörte, war er beeindruckt. Ja, der Kreisdirektor ist der Chef des ganzen Kreises. Wieso soll er meinen Knoblauch verkaufen? Selbst wenn alle Knoblauchstengel sonst verfaulen, kann ich das nicht erwarten. Gao Yang hätte sich gerne davongeschlichen, aber aus diesem Gedränge von Menschen und Fahrzeugen gab es kein Entkommen. Vor Aufregung war er dem Weinen nahe.
    »Der Kreisdirektor soll herauskommen! Wir wollen mit ihm sprechen!«
    »Richtig. Kreisdirektor, komm heraus, Kreisdirektor, komm heraus.«
    »Knoblauchbauern«, sagte der Vizebürochef, »ich warne euch. Geht sofort nach Hause. Wenn ihr nicht auf mich hören wollt, rufe ich das Sicherheitsamt an. Dann wird euch die Polizei Ordnung beibringen.«
    »Leute«, rief der pferdegesichtige junge Mann. »Laßt euch nicht von ihm ins Bockshorn jagen. Wir verstoßen gegen kein Gesetz. Wenn das Volk den Kreisdirektor sprechen will, was soll daran ungesetzlich sein? Der Kreisdirektor ist der Diener des Volkes. Er wurde vom Volk gewählt. Es gibt keinen Grund für ihn, nicht mit dem Volk zu sprechen.«
    »Wer zum Teufel hat ihn eigentlich gewählt? Ich weiß nicht einmal, ob er weiß oder schwarz ist. Wie kann ich ihn da gewählt haben?«
    »Zhong Weimin, komm heraus! Kreisdirektor, komm heraus!«
    »Ihr geht zu weit!« brüllte der Vizebürochef.
    »Nieder mit den korrupten Beamten! Nieder mit der Bürokratie!« Das rief Gao Ma, der auf einen Ochsenkarren gesprungen war und die Fäuste schüttelte.
    Er ergriff ein Bündel Knoblauchstengel und schleuderte es in den Hof der Kreisverwaltung. »Den brauchen wir nicht mehr. Ein Geschenk für euch, ihr feinen Herren, ihr sollt ihn essen.«
    »Richtig! Wir brauchen ihn nicht mehr. Das Zeug ist sowieso wertlos. Schmeißt es weg, werft alles in den Hof der Kreisverwaltung. Ein Geschenk für euch, ihr feinen Herren.«
    Die Masse war außer sich. Hunderte und Tausende von Knoblauchbündeln schienen Flügel zu bekommen und flogen in dichtem Hagel in den Hof der Kreisverwaltung.
    Der Vizebürochef drehte sich um und lief ins Gebäude zurück.
    »Haltet ihn fest«, rief jemand, »er geht die Polizei anrufen.«
    Der grüne Maschendraht des Eingangstores begann heftig zu vibrieren. Das Gitter war den vereinten Kräften der Masse ausgesetzt. Holzstücke, Fäuste und Füße, Schultern, kaputte Ziegelsteine und Dachziegel – unter ihrem Aufprall begann das Tor nachzugeben.
    »Vorwärts! Auf die Suche nach dem Kreisdirektor!«
    Der Riegel des Tores verbog sich und fiel hinunter. Das große Außentor öffnete sich plötzlich. Wie Hochwasser strömte die Masse hinein. Gao Yang wurde mitgerissen. Er hatte es nicht übers Herz gebracht, auch nur ein einziges Bündel Knoblauchstengel wegzuwerfen. Und er machte sich Sorgen, sein Esel könnte totgetrampelt werden. Aber er konnte nicht gegen den Strom schwimmen.
    Seine Füße berührten kaum den Boden, der mit achteckigen Betonplatten belegt war. Als er am Springbrunnen vorbeikam, wehte ihm eiskalter Nebel ins Gesicht. Er erreichte das Verwaltungsgebäude, dessen mit Kunststein gefliesten Flur ein gewaltiger Lärm erfüllte. Gao Yang unterschied das Geräusch von splitterndem Glas, das Krachen berstender Holzkisten und das Geschrei von Frauen. Er verspürte trotz Unruhe und Angst ein Hochgefühl und drang in ein Büro ein. Die Einrichtung war so luxuriös, daß sie Haß in ihm auslöste. Er hob versuchsweise

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