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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Wie ein störrisches Pferd, dem man die Mähne stutzt, wurde auch der Todeskandidat mit dem Verlust seines Haares sofort viel zahmer. Die kleinen Hände der Beamtin waren weiß und dick. Ihre Handrücken hatten Grübchen wie Babywangen.
    Gao Yang starrte die Beamtin unentwegt an. Der Aufseher fragte: »Na, Nummer neun, bekommst du Appetit auf Menschenfleisch?« Dann nickte er der Beamtin bedeutungsvoll zu: »Schwester, du mußt dich in acht nehmen.« Die Beamtin schaute Gao Yang ruhig und gelassen an und meinte: »Teufelsaugen brennen. Nimm Platz.«
    Gao Yang setzte sich auf den Hocker, und der Duft der Beamtin ließ ihn den Schmerz an seinem Fußgelenk vergessen. Als sie das noch mit Haaren bedeckte Umhängetuch um seinen Hals knotete, berührte ihn ihre weiche und warme Haut. Sein Körper ging ganz in dieser berauschenden Empfindung auf, und er machte sich so klein wie möglich. Die Beamtin gab ihm einen Klaps auf den Hals und sagte: »Heb den Kopf.« Er gehorchte. Die eisernen Zähne der Haarschneidemaschine schoben sein Haar vor sich her, und ein betäubendes Gefühl elektrisierte seinen ganzen Körper. Vor seinen Augen wehten Blumen und Gräser. In seinen Ohren zwitscherten Vögel. Er dachte: Wenn mir eine so vornehme Frau die Haare schneidet, kann ich in Frieden sterben.
    »Steh auf, warum bleibst du hier sitzen?« fragte die Beamtin.
    Wie aus einem Traum gerissen, erhob er sich.
    »Feg die Haare zusammen«, befahl der Wärter.
    Gao Yang fegte die Haare zusammen und schob sie auf ein Kehrblech.
    »Bring sie raus.«
    Er verließ mit dem Kehrblech die Zelle und schüttete unter Aufsicht des Wärters die Haare in einen Bambuskorb, der im Flur stand und schon zur Hälfte mit abgeschnittenen Haaren – grauen, weißen, schwarzen und gelben – gefüllt war.
    Als Gao Yang in die Zelle zurückkehrte, sah er, daß der gelbhäutige Todeskandidat mit seinen gefesselten Händen die Brüste der Beamtin umfaßte. Der Anblick erfüllte ihn mit einem gewaltigen Zorn auf den Mann, und die gelassene und ruhige Miene der Beamtin ließ einen gallebitteren Geschmack in seinem Hals aufsteigen. Die Beamtin lächelte und sagte mit einem Blick auf die Hände des Todeskandidaten leise: »Laß los, du tust mir weh.« Der Mund des Todeskandidaten öffnete sich weit, sein Atem ging stoßweise.
    »Laß los, du«, wiederholte die Beamtin und ließ ihr vom weißen Kittel umhülltes Knie vorschnellen. Gleichzeitig drückte sie die scharfen Zähne der Haarschneidemaschine in die glatte Kopfhaut des Todeskandidaten. Er fiel zu Boden, krümmte sich und preßte beide Hände auf den Unterleib. Sein Gesicht wurde fahl, auf seine Stirn trat Schweiß.
    Der Wärter, der dazukam, trat den Todeskandidaten in den Hintern und höhnte: »Die Kröte gelüstet es nach Schwanenfleisch.«
    »So kurz vor dem Tod«, sagte die Beamtin, »denken alle nur noch an das eine.«
    Am anderen Morgen kam ein Wärter, der von einem spindeldürren Koch begleitet wurde, in ihre Zelle.
    »Nummer eins«, sagte der Wärter, »was möchtest du essen? Was möchtest du trinken? Nenn Meister Sun deine Wünsche.«
    Der Todeskandidat war wie vor den Kopf geschlagen. »Ich habe Einspruch eingelegt.«
    »Dein Einspruch«, erwiderte der Beamte, »ist abgewiesen worden. Das Urteil wurde bestätigt.«
    Der Kopf des Todeskandidaten sank kraftlos herab.
    »Nun hör schon auf«, sagte der Wärter, »überleg dir lieber, was du essen willst. Das ist auf deinem Weg die letzte Mahlzeit, und wir wenden dir gegenüber den revolutionären Humanismus an.«
    »Kumpel«, sagte der Koch, »niemand sollte sich als hungriger Geist aus dieser Welt verabschieden. Der Weg in die Unterwelt ist lang. Wie willst du es mit leerem Magen schaffen?«
    Der Todeskandidat seufzte und hob den Kopf. Sein Blick war entrückt. Er blinzelte. »Ich möchte rot geröstetes Schweinefleisch.«
    »Gut«, sagte der Koch, »rot geröstetes Schweinefleisch.«
    »Dazu Kartoffeln, und das Fleisch muß schön fett sein.«
    »In Ordnung, Kartoffeln mit geröstetem Schweinefleisch, und das Fleisch soll fett sein. Was noch?«
    Der Todeskandidat schloß die Augen, als ob er scharf nachdächte.
    »Überleg es dir gut«, sagte der Koch, »genier dich nicht, etwas zu verlangen. Es kostet nicht dein Geld.«
    Der Todeskandidat verzog den Mund, und Tränen rollten ihm über die Wangen. »Ich möchte Pfannkuchen, auf dem Blech gebacken, mit Porree und Sojabohnenpaste.«
    »Sonst nichts?« fragte der Koch.
    »Nein«, sagte der Verurteilte

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