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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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eingedrungen, hast zwei Telefonapparate zerschlagen, Akten verbrannt und eine Sekretärin verletzt. Alle diese Handlungen waren kriminell. Das Sicherheitsamt hat dich mit vollem Recht verhaftet. Außerdem hast du vor diesen Gewalttaten noch reaktionäre Ansprachen gehalten, die aufwieglerisch wirkten. Es gibt Leute, die behaupten, daß du das Verbrechen der Konterrevolution und das Verbrechen der Störung der gesellschaftlichen Ordnung begangen hast und wegen beider Verbrechen verurteilt gehörst.«
    »Reicht das nicht, um mich zu erschießen?«
    »Es reicht nicht. Ich möchte dich bitten, mit mir zusammenzuarbeiten und mir deine Liebesgeschichte mit dem Mädchen Jinjü ausführlich zu schildern. Ich bin der Ansicht, daß deine unglückliche Liebesgeschichte ein wichtiger Milderungsgrund für die Beurteilung deiner Verbrechen ist.«
    »Nein«, sagte Gao Ma, »ich hasse euch. Am liebsten würde ich euch korrupten Beamten allesamt bei lebendigem Leib die Haut abziehen.«
    »Willst du nicht, daß ich dich verteidige?«
    »Ich bitte euch, mich zu erschießen.«
    Der Rechtsanwalt schüttelte den Kopf und verließ die Zelle. Gao Ma hörte ihn draußen im Flur zu einem anderen sagen: »Dieser Kerl ist total übergeschnappt.«

Achtzehntes Kapitel
    Wer mich, Zhang Kou, einen Konterrevolutionär nannte,
    der ist ein abgefeimter Lügner, Schande über ihn.
    Ich achte das Gesetz, aber die Kommunistische Partei,
    die früher keine Angst vor den japanischen Teufeln kannte,
    erträgt es heute nicht, daß ich den Mund aufmache.
    Aus einem Lied, das Zhang Kou nach seiner Verhaftung den
Vernehmungsbeamten vorsang
1
    Es war früh am Morgen, als die Zellentür geöffnet wurde. Zwei Beamte, ein Mann und eine Frau, traten ein. Der Mann kam Gao Yang bekannt vor, die Frau sah er zum erstenmal. Sie wirkte wohlgenährt. Ihr Hals war so kurz, daß es aussah, als ob sie überhaupt keinen hätte. In ihrem runden Gesicht blinzelten zwei Schweinsäuglein. Ihre winzige Nase war so weit von ihrem Mund entfernt, daß die Furche in ihrer Oberlippe überlang wirkte. Gao Yang mißfiel ihr Aussehen, aber als er den Geruch von parfümierter Seife wahrnahm, der von ihrem Körper ausging, fand er sie sofort sympathisch. Ihr Duft vermittelte ihm, daß auch sie eine vornehme Frau war. Sie hatte einen weißen Kittel an und trug einen Holzkasten in der Hand. Der Beamte verkündete: »Nummer eins, wir schneiden dir die Haare.«
    Der Todeskandidat – Nummer eins – verdrehte die Augen und starrte die füllige Frau an. Seine Hand- und Fußfesseln rasselten.
    Die Frau lächelte den Todeskandidaten an. Ihre Augen verengten sich zu einem Spalt. Die dünne Oberlippe spannte sich und gab ihr blaßrotes Zahnfleisch und ihre grünlichen Zähne frei. Der Wärter trug einen viereckigen Hocker herein und stellte ihn in die Mitte der Zelle. Die Beamtin öffnete ihren Holzkasten und nahm ein Umhängetuch heraus, das voller Ölflecken war. Sie schüttelte es gründlich aus.
    »Komm her«, sagte sie. Ihre Stimme war so sanft und anmutig, daß sie Gao Yang in tiefe Verwirrung stürzte.
    Der Todeskandidat blieb sitzen und rührte sich nicht. Der Aufseher trat auf ihn zu und versuchte, ihn in die Höhe zu ziehen, aber der Todeskandidat machte sich schwer und sagte: »Ich will keinen Haarschnitt, ich will nicht.«
    »Du weißt nicht, was gut ist«, sagte der Aufseher und packte ihn am Haar. »Dein Hundehaar ist zu lang. Es muß geschnitten werden.«
    Die Worte kamen Gao Yang vertraut vor, aber er erinnerte sich nicht, in welchem Film oder in welcher Oper er ihn schon gehört hatte.
    »Du hast selber beschissenes Hundehaar!« blaffte der Todeskandidat. Der Aufseher legte ihm begütigend die Hand auf die Schulter. »Gut, es ist kein Hundehaar, es ist Menschenhaar. Und nun laß es schneiden.«
    Der Todeskandidat setzte sich auf den Hocker, die Beamtin legte ihm das Tuch um und knotete es in seinem Nacken fest. Der Todeskandidat drehte den Kopf hin und her wie ein unartiges Kind. Die Beamtin preßte seine Schultern und sagte: »Sei schön brav.« Der Mann wurde sofort so still wie ein wohlerzogener kleiner Junge. Die Beamtin nahm eine Haarschneidemaschine auf, die wie ein Rasenmäher von Süd nach Nord eine blauweiße Schneise über den Kopf des Todeskandidaten zog. Aus der Schneise wurde eine Kreuzung und aus dieser ein kahler Hügel, der so glatt wie ein Kürbis war. Die ganze Prozedur dauerte höchstens drei Minuten. Die abgetrennten Haare fielen wie Filzflecken auf den Boden.

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