Die Knoblauchrevolte
der Mutter gegen die Brust. Sie drückte sein Bein nach unten und sagte: »Du mußt dem Kind einen Namen geben.«
Gao Yang überlegte und sagte dann: »Er soll Shoufa heißen, der Ehrliche. Wir können nicht erwarten, daß er ein hoher Beamter wird. Aber er kann ein anständiger Bauer werden.«
Xinghua streichelte den Arm ihres Vaters, berührte die Handschellen und fragte: »Was ist das, Vater?«
Gao Yang erhob sich. »Das ist nichts.«
Der Junge schlief an der Brust seiner Mutter ein, die aufstand, ihm behutsam die Brustwarze aus dem Mund zog und ihn auf den Tisch legte. Sie öffnete schnell ein Bündel und entnahm ihm ein Paar neue Stoffschuhe, eine neue blaue Jacke und eine schwarze Gabardinehose, ebenfalls neu. »Zieh das gleich an«, sagte sie. »Als du verhaftet wurdest, warst du halb nackt. Ich war sehr beunruhigt. Ich wollte dir Kleider schicken, wußte aber nicht, wohin. Vorgestern habe ich erfahren, daß du hier eingesperrt bist. Ich bin schon gestern gekommen und habe die ganze Nacht draußen gewartet. Heute früh habe ich ein freundliches Mädchen getroffen, das gute Beziehungen hat. Ihr habe ich es zu verdanken, daß ich dich besuchen kann.«
»Seid ihr zu Fuß gekommen?« fragte Gao Yang.
»Fünf Meilen sind wir gegangen. Dann haben wir einen Bekannten getroffen. Er fuhr mit dem Pferdewagen in die Stadt, um Ammoniak zu kaufen. Der hat uns mitgenommen.«
»Das sind neue Kleider. Hast du sie gekauft? Woher kommt das Geld?« fragte Gao Yang.
»Ich habe Knoblauchzwiebeln verkauft«, sagte seine Frau. »Mach dir keine Sorgen um uns. Wenn man ein Verbrechen begeht, muß man dafür einstehen. Was die Regierung beschließt, das müssen wir hinnehmen. Zu Hause kümmere ich mich um alles, und Xinghua hilft mir, auf das Kind aufzupassen. Nach deiner Verhaftung haben uns alle Nachbarn, Verwandten und Freunde unterstützt. Das war mir geradezu peinlich.«
»Was ist aus Gao Ma geworden?« fragte Gao Yang. »Ich habe noch gesehen, wie er über die Mauer gesprungen ist.«
»Dir sage ich es, aber du darfst es auf keinen Fall Tante Vier weitererzählen: Jinjü ist tot.«
»Wieso tot?«
»Sie hat sich erhängt. Ist das nicht schrecklich? Ihre Beine waren voll Blut. Sie hatte schon Wehen. Wie schade, daß das Kind nicht zur Welt gekommen ist.«
»Weiß Gao Ma das schon?«
»Gao Ma war gerade bei den Vorbereitungen für ihre Beisetzung, als ihn das Sicherheitsamt verhaftet hat.«
»Das arme gute Mädchen«, sagte Gao Yang. »Am Nachmittag unserer Verhaftung hat sie Tante Vier noch eine Wassermelone gebracht.«
»Apropos, wir haben dir auch etwas zu essen mitgebracht.« Sie nahm ein paar gekochte Hühnereier mit roten Schalen aus einer Plastiktüte und legte sie auf den Tisch.
Er nahm zwei Eier und drückte sie Xinghua in die Hände. »Du mußt sie essen, Vater«, sagte Xinghua. »Ich will sie nicht.«
Seine Frau reichte ihm ein geschältes Ei. Er stopfte es sich in den Mund. Aber noch bevor er es hinuntergeschluckt hatte, kamen ihm die Tränen.
Neunzehntes Kapitel
Kreisdirektor, deine Hand ist groß,
aber den Himmel kann sie nicht zudecken.
Parteisekretär, deine Macht hat Gewicht,
aber die Berge kann sie nicht versetzen.
Die häßlichen Vorfälle im Kreis Paradies
kann niemand unter den Teppich kehren,
denn die Volksmassen haben alles gesehen.
Aus einem Lied, das Zhang Kou sang, als er
verhört wurde
1
In der Frühe waren auf dem Korridor überall Rufe zu hören, und die Türen zu vielen Zellen wurden krachend geöffnet. Gao Yangs Zelle war auch darunter. Ein Polizist mit magerem Gesicht stand in der Tür. Lächelnd nickte er ihm zu. Gao Yang verstand ihn sofort. Er zog seine neuen Schuhe an, verknotete sorgfältig die Schnürbänder und trat zur Tür. Beim Zubinden der Schuhe fiel ihm auf, daß die Haut an seinem Fußgelenk weiß war und sich grüner Eiter darunter bewegte. Das geheimnisvolle Lächeln auf dem Gesicht des Polizisten blieb bestehen. Ängstlich und beunruhigt lächelte Gao Yang seinerseits den Polizisten an, als könnte er den psychischen Druck lindern, wenn er dem Polizisten schmeichelte.
Sobald der Beamte mit dem mageren Gesicht die Hand hob, streckte Gao Yang beide Hände vor. Von dieser übertriebenen Reaktion überrascht, trat der Polizist einen halben Schritt zurück, zog Gao Yangs Hände weiter auseinander und legte ihm die Handschellen an.
Mit einem Zungenschnalzen bedeutete er ihm, vorauszugehen. Im Korridor waren gerade zahlreiche Polizisten damit beschäftigt, ebenso
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