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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Vier hielt den Kopf schräg. Im Schein der Petroleumlampe wirkte sein Gesicht wie aus Kupfer gegossen.
    »Dann bin ich eben verrückt.« Jinjü gab dem Eßtisch einen Tritt.
    Onkel Vier sprang auf wie ein alter Löwe, schwang seine Pfeife und schlug damit wild auf Jinjü ein. Sie hielt die Hände schützend über den Kopf und flüchtete kreischend.
    Gao Ma stützte sich mit den Händen auf dem Boden ab und rappelte sich langsam hoch. Er rief: »Mich müßt ihr schlagen.«
    Jinjü sah Gao Mas große Gestalt taumeln und hatte ein ungutes Gefühl. Ihre Brüder drehten sich nach ihm um, der eine schwankend, der andere kerzengerade. Gao Ma stürzte nach vorn und riß im Fallen einen Zaun mit, der mit ihm zusammen krachend zu Boden ging. Die Familie Fang hatte in ihrem Hof ein Gemüsebeet abgeteilt, auf dem sie Gurken anbaute. Noch lange danach konnte Gao Ma sich daran erinnern, wie angenehm die Gurken rochen, als er zusammen mit dem Zaun auf dem Boden aufschlug.
    »Schafft ihn raus, aber schnell!« sagte Onkel Vier.
    Die beiden Brüder traten den Zaun noch weiter hinunter, als sie Gao Ma hochrissen und zum Tor hinausschleppten. Gao Ma war sehr groß und stark, und sein Körper war so schwer, daß der Ältere Bruder vor Anstrengung ganz gekrümmt ging und noch ein ganzes Stück kleiner wirkte als sonst.
    Jinjü wälzte sich weinend am Boden, während die Vorwürfe ihrer Mutter auf sie herunterprasselten: »Von klein auf haben wir dich mit Essen verwöhnt, mit Kleidern verwöhnt, wir haben dich wie unseren besten Schatz behandelt. Sag selbst, was kannst du mehr verlangen?«
    Ihre Brüder hatten Gao Ma inzwischen auf die Straße geschleppt. Als sie ihn fallen ließen, hörte man über die Mauer hinweg ein dumpfes Klatschen, dann wurde das Hoftor geräuschvoll zugestoßen. Ihre Brüder waren zwei verzerrte Schatten – ein langer und ein kurzer –, die auf sie zukamen. Sie verabscheute diese Schatten. Besonders den Schatten des älteren Bruders. Dieser widerliche Schatten legte sich quer über ihre Brust. Er fühlte sich kühl und klebrig an, wie eine Kröte, die auf ihrer Brust hockte. Ihr Herz zog sich zusammen. Sie wälzte sich ein Stück zur Seite und setzte sich dann auf den umgestürzten Zaun. Sie weinte und weinte. Das Gefühl des Selbstmitleids in ihrem Herzen entwickelte sich von einem Rinnsal zu einer brausenden Flut, die alle Empörung und alle Trauer unter sich begrub. Die Tränen in ihren Augen trockneten. Blinde Zerstörungswut packte sie. Doch als sie aufsprang, wurde ihr so schwindlig, daß sie gleich wieder zusammensank. Sie griff mit ihren Händen ins Dunkel, bekam ein paar stachlige Gurkenranken zu fassen, riß sie aus, zerrte mit aller Kraft daran und warf sie auf ihren Vater, der rauchend am Tisch saß. Im Licht der Petroleumlampe wand sich die Gurkenranke wie eine sterbende Schlange.
    Anstatt ihren Vater zu treffen, war die Ranke auf dem verwüsteten Eßtisch gelandet. Ihr Vater sprang auf. Die Mutter stemmte sich in die Höhe. Beide bewegten sich mit großer Schnelligkeit.
    »Rebellieren willst du, kleines Luder?« schrie der Vater.
    »Du bringst mich noch ins Grab«, jammerte die Mutter.
    »Jinjü«, fragte der Ältere Bruder in ernstem Ton, »wie kannst du nur?«
    »Schläge braucht sie«, entgegnete der jüngere Bruder wütend.
    »Dann schlag doch zu, schlag doch zu!« Jinjü sprang auf und stürzte sich wütend auf ihren Bruder.
    Der zweite Bruder trat einen Schritt zurück und wich ihr seitlich aus. Er packte sie an den Haaren und schüttelte sie mit zusammengebissenen Zähnen ein paarmal, dann gab er ihr einen kräftigen Stoß, der sie ins Gurkenbeet schleuderte.
    Sie glaubte den Verstand zu verlieren, schrie aus Leibeskräften und riß mit ihren Händen an allem, was sie erreichen konnte. Als sie die Gurken zerfetzt hatte, begann sie an ihrer eigenen Kleidung zu zerren. Dabei hörte sie, wie ihr älterer Bruder den jüngeren zurechtwies: »Wie konntest du sie nur schlagen. Solange Vater und Mutter am Leben sind, ist ihre Erziehung, egal was für Fehler sie macht, allein Sache von Vater und Mutter. Als Brüder können wir ihr nur gut zureden.«
    Der zweite Bruder schnaubte verächtlich: »Bruder, was bist du doch für ein Heuchler. Für dich haben wir eine Frau ergattert, und jetzt spielst du den Großmütigen.«
    Der Ältere Bruder gab keine Antwort. Er hinkte zum niedergetretenen Zaun, bückte sich mühsam und streckte zwei eiskalte Hände nach Jinjüs Armen aus, um sie hochzuziehen. Die

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