Die Knoblauchrevolte
Hoftor. In Gao Zhilengs Haus schrien die Papageien.
Vater klopfte seine Pfeife an der Schuhsohle aus. Er räusperte sich, spuckte kräftig aus, stand auf und sagte: »Schlafen gehen.«
Er trat ins Haus und holte ein großes gelbes Messingschloß. Er ging damit zum Hoftor, schob den Riegel vor und ließ das Schloß knackend einschnappen.
2
Am folgenden Abend herrschte im Hof der Familie Fang geschäftiges Treiben. Die Brüder hatten einen großen quadratischen Tisch aufgebaut und vier Bänke daran gerückt, die sie in der Grundschule ausgeliehen hatten. Mutter stand am Herd und kochte. In ihren Töpfen brutzelte es.
Jinjü hatte sich in ihre Kammer zurückgezogen. Sie bewohnte das Eckzimmer, das hinter dem Raum ihrer Brüder lag. Was draußen vor sich ging, konnte sie von dort aus gut verfolgen. Sie hatte ihr Zimmer den ganzen Tag nicht verlassen. Auch der Ältere Bruder war nicht aufs Feld gegangen. Ab und zu kam er herein, um mit ihr zu reden. Aber sie zog jedesmal das Laken über den Kopf und sagte kein Wort.
Vater und Mutter unterhielten sich in der Diele.
»Alles verwelkt und vergilbt«, sagte Mutter, »es hat nichts genützt, Plastiktüten zu nehmen.«
Ein schwacher Knoblauchdunst stieg Jinjü in die Nase.
»Du hast sie nicht ordentlich zugemacht«, sagte Vater. »Wenn du sie fest verschließt, kommt keine Luft rein, dann werden sie nicht gelb und schrumpelig.«
»Ich weiß nicht, wie es die Genossenschaft macht. Sie lagern ihn monatelang, und er ist immer noch so grün, wie er aus der Erde kommt.«
»Die Genossenschaft hat ein Kühlhaus«, sagte Vater. »Selbst wenn man im Juni reingeht, muß man eine wattierte Jacke und Hose anziehen. Da kann nichts schiefgehen.«
»Die Genossenschaft weiß eben, wie man so etwas macht«, seufzte Mutter.
»Das Geld dafür haben sie von uns«, kommentierte Vater.
Auf dem Herd begann es wieder zu zischen, das Knoblaucharoma breitete sich aus.
»Sollen wir unseren zweiten nicht noch mal mit einer Einladung für Assistent Yang in die Gemeinde schicken?« fragte Mutter.
»Besser nicht. Wenn wir ihn zu sehr drängen, bleibt er vielleicht weg.«
»Er kommt auf jeden Fall. Nicht unseretwegen, sondern weil sein Neffe da ist.«
»Der Assistent ist gar nicht sein richtiger Onkel«, sagte Vater leise.
Als es Zeit wurde, die Petroleumlampe anzuzünden, hörte Jinjü mehrere Personen im Hof. Den Gesprächen ihrer Eltern mit den Gästen konnte sie entnehmen, daß Liu Jiaqing gekommen war, ihr künftiger Schwiegervater, und Cao Jinzhu, der Vater ihrer künftigen Schwägerin Cao Wenling. Außerdem war Assistent Yang von der Gemeindeverwaltung erschienen, der Nennonkel des Schwiegersohns ihrer künftigen Schwägerin.
Diese auf so komplizierte Weise miteinander Verwandten tauschten zunächst Höflichkeitsfloskeln aus, dann machte man sich über die Getränke her.
Der Ältere Bruder brachte seiner Schwester ein gedämpftes Weißbrot und einen Teller Schweinefleisch mit Knoblauch aufs Zimmer. Leise sagte er: »Schwester, iß das und steh auf. Du mußt dich waschen, anziehen und die Verwandten begrüßen. Dein Schwiegervater hat schon nach dir gefragt.«
Jinjü sagte kein Wort.
»Schwester, nimm Vernunft an. Die Familie Liu hat Geld. Dein Schwiegervater ist bestimmt nicht mit leeren Händen gekommen.«
Sie sagte nichts.
Er stellte das Essen auf den Rand des Ofenbettes und zog sich entmutigt zurück.
Im Hof wurde es lauter, als mit Fingerknobeln und kräftigen Zurufen den scharfen Getränken zugesprochen wurde. Es ging hoch her; Assistent Yang hatte die lauteste Stimme.
Es war schon Nacht, als Jinjü im Nebenzimmer ein Flüstern hörte.
»Wieviel Schnaps haben wir noch?« fragte der Ältere Bruder.
»Mehr als eine halbe Flasche«, sagte Mutter. »Ist das nicht genug?«
»Auf keinen Fall. Assistent Yang und der alte Liu schaffen jeder noch einen halben Liter.«
»Vielleicht können wir uns bei den Nachbarn etwas borgen.«
»Weißt du, wie spät es ist?« fragte der Bruder. »Such eine leere Flasche, gieß die Hälfte hinein und füll alles mit Wasser auf. Das wäre das Beste.«
»Wenn die Leute das merken, sind wir blamiert.«
Bruder sagte: »Nichts werden sie merken. Ihre Zunge ist vom Trinken schon ganz betäubt.«
Mutter sagte: »Mir gefällt das nicht.«
»Was ist daran so schlimm?« fragte der Bruder.
»Heutzutage betrügt doch jeder jeden. Wer nicht mitmacht, ist dumm. Sogar die Konsumgenossenschaft ist ein einziger Betrug. Und wo bleiben wir?«
Mutter sagte
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