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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Wand an, auf der ein Tausendfüßler sich nach oben schob. Draußen vor der Tür wurde der Blecheimer auf den Boden gestellt. Dann erklang eine Stimme, vermutlich die des Wärters, der sie vorhin angebrüllt hatte: »Meister Han, in dieser Zelle haben wir einen Neuzugang, Nummer neun.«
    Meister Han, wenn er es denn war, schlug mit dem Schöpflöffel gegen die Eisentür und rief: »Hör zu, Nummer neun: Für jeden einen Mehlkloß und einen Schlag Suppe.«
    Die Eisenkelle ließ den Blecheimer dröhnen. Eine Emailleschüssel wurde durch die viereckige Öffnung in der Tür hereingeschoben. Eine zweite Schüssel folgte. In der ersten Schüssel lagen vier Mehlklöße. Die Klöße waren grau und schimmerten wie glasiert. Die zweite Schüssel war halb voll dunkelroter Suppe, auf der große Fettaugen und ein paar welke Knoblauchstengel schwammen.
    Der Geruch fauligen Knoblauchs drang in Gao Yangs Bewußtsein und löste sofort Übelkeit aus. Er hätte sich am liebsten erbrochen. Offenbar waren die drei Flaschen Wasser, die er zu Mittag getrunken hatte, immer noch in seinem Magen, denn der begann heftig zu gluckern. Schmerzhafte Krämpfe im Bauch, ein Anschwellen seines Kopfes.
    Die drei Gefangenen nahmen sich jeder einen Kloß. Der vierte blieb in der Schüssel zurück. Er war so groß wie eine Faust und glänzte künstlich. Gao Yang wußte, daß dieser Kloß ihm zustand, aber er hatte überhaupt keinen Appetit. Der Mann mittleren Alters und der junge Gefangene stellten ihre Eßschalen neben die Suppenschüssel. Der Alte tat es ihnen nach und warf Gao Yang mit seinen gräßlichen Augen einen flehentlichen Blick zu.
    Der Mann mittleren Alters sagte: »Kumpel, du hast anscheinend keinen Hunger. Dein Bauch ist wohl noch voller Leckerbissen, die du noch nicht verdaut hast.«
    Gao Yang biß die Zähne zusammen, um seiner Übelkeit Herr zu werden. »Alter Schurke, du verteilst«, befahl der Mann mittleren Alters, »aber laß etwas für ihn übrig.«
    Der Alte steckte einen fettigen Aluminiumlöffel in die Suppe, rührte um, füllte vorsichtig den Löffel und hob ihn langsam in die Höhe, so ruhig, so sicher, daß Gao Yang staunte. Der Alte goß den ersten Löffel Suppe dem Mann mittleren Alters in die Schale und warf ihm einen schmeichlerischen Blick zu, aber das Gesicht des anderen blieb ungerührt. Den zweiten Löffel füllte der Alte schnell, ohne ihn besonders gerade zu halten, und schüttete den Inhalt in die Schale des jungen Gefangenen.
    »Alter Gauner«, schimpfte der Junge, »mir gibst du nur die dünne Brühe.«
    »Du bist ja mit Blindheit geschlagen«, erwiderte der Alte.
    »Alter Gauner!« Der junge Gefangene drehte sich zu Gao Yang um, als ob er ihn zum Verbündeten gewinnen wollte. »Weißt du überhaupt, daß der Kerl hier ein Sittenstrolch ist? Sein Sohn ist ein hoher Beamter in der Stadt, aber die Frau hat er zu Hause zurückgelassen, wie eine Witwe, und dieses Tier hier schläft mit der eigenen Schwiegertochter im selben Bett …«
    Er hatte den Satz noch nicht beendet, da schlug ihm der Alte mit voller Wucht den Aluminiumlöffel auf den Kopf. Es war ein schwerer Schlag, der Getroffene zog den Kopf zwischen die Arme und schrie kläglich. Gemüsesuppe troff ihm übers Gesicht. Gao Yang konstatierte, daß der Aluminiumlöffel eine Delle bekommen hatte.
    Der Alte umklammerte den Löffel, stand so gerade, wie es sein Buckel zuließ, mit steifem Hals und einem giftigen Ausdruck im Gesicht.
    Der Junge gab nicht klein bei. Er griff sich seinen Kloß, schaute ihn an und warf ihn dem Alten mit aller Kraft an den Kopf, der mit Ausnahme eigenartiger Haarbüschel an den Seiten vollkommen kahl war. Der Kloß traf die breite, glänzende Schneise in der Mitte. Taumelnd wich der Alte bis an die eiserne Tür zurück. Er schüttelte mehrmals den Kopf, als ob er etwas aus ihm herausschütteln wollte. Der graue Kloß war an ihm abgeprallt und sprang vor dem Jungen auf dem Boden auf. Der Junge fing ihn aus der Luft und untersuchte ihn sorgsam, als wollte er feststellen, ob der Kloß Schaden genommen hatte.
    »Ihr Mistkerle«, schimpfte der Mann mittleren Alters, »wenn ihr euch einen Tag nicht prügelt, juckt es euch wohl, was?«
    »Alte Bestie, als du deine Schandtaten begangen hast, warst du doch auch nicht so empfindlich. Was stört es dich, wenn ich davon erzähle?« Zu Gao Yang gewandt, erklärte der junge Gefangene: »Ich sage dir, er hat seiner Schwiegertochter ein Kind gemacht, und dann hat dieses Tier versucht, das Baby zu

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