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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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erwürgen. Seine Schwiegertochter hat ihn angezeigt.«
    Der junge Häftling lachte giftig.
    Der Mann mittleren Alters sagte: »Der Rabe lacht über das schwarze Schwein, Hasenscharten finden Stupsnasen komisch. Wenn du ein besserer Mensch bist, was suchst du dann hier, du Dieb?«
    »Ein Dieb ist ehrenwerter als ein Sittenstrolch«, erwiderte der Junge.
    »Ehrenwert, beim Loch deiner Mutter«, schimpfte der Mann mittleren Alters. Er gab dem Alten einen Fußtritt und sagte: »Teil die Suppe aus. Was starrst du Löcher in die Luft? Denkst du an deine Schwiegertochter?«
    Der Alte murmelte etwas vor sich hin, hockte sich nieder und verteilte weiter die Suppe.
    Von dem Vorfall sträubten sich Gao Yang die Haare, doch er kurierte auf wunderbare Weise seine Übelkeit. In seinem Magen gluckerte es nicht mehr. Das Wasser schien aus dem Magen in den Darm und vom Darm in die Blase zu schießen. Er mußte Wasser lassen.
    Der Alte füllte in jede Schale zwei Kellen Suppe. Ein Rest blieb in der Schüssel zurück. Der Alte blickte erst Gao Yang und dann den Mann mittleren Alters an. Der Mann sagte: »Laß etwas für unseren Kumpel übrig.«
    »Wo ist deine Schale?« fragte der Alte Gao Yang.
    Gao Yang konnte wegen des Harndrangs nicht ruhig sitzen, geschweige denn reden.
    Der Mann mittleren Alters bückte sich und zog eine Waschschüssel unter Gao Yangs Pritsche hervor. Die Waschschüssel war ebenfalls grau, mit einer auflackierten roten Neun. In der Schüssel befanden sich eine graue Schale und rote Eßstäbchen. Sowohl die Waschschüssel als auch die Eßschale waren mit weißen Spinnweben und schwarzem Staub überzogen.
    Gao Yang preßte den Rücken gegen die graue Wand. Auf diese Weise wurde der Druck in der Blase erträglicher.
    Die drei Mithäftlinge begannen zu essen. Der Mann mittleren Alters schlang wie ein Wolf. Der Junge aß langsam und bedächtig. Der Alte drückte die zitternden Finger in den Kloß und formte traubengroße Teigkugeln, die er sich in den Mund steckte. Dann hob er die Schale an die Lippen und nahm einen Schluck Suppe, streckte den Hals und schluckte die Suppe zusammen mit den Teigkugeln herunter. Seine Hände zitterten die ganze Zeit, als wäre er begeistert, aufgeregt und nervös. Beim Schlucken bildeten sich milchige Tränen in seinen entzündeten, wimpernlosen Augen.
    Gao Yang bemerkte, daß das Innere des grauen Kloßes etwas weißer war als die Außenseite, aber sobald die Finger des Alten ihn kneteten, wurde alles schwarz.
    Der Mann mittleren Alters keuchte heftig, während er seinen Kloß verschlang. Der Junge schmatzte beim Essen.
    Zunächst hatte es den Anschein, als ob der eine langsamer äße und der andere schneller, aber in Wirklichkeit war ihr Tempo fast gleich. Als der Mann mittleren Alters seinen letzten Bissen hinunterschluckte, stopfte sich der Alte die letzte traubengroße, schwarze Teigkugel in den Rachen, und der Junge hörte auf zu schmatzen.
    Von den drei Mithäftlingen hatte es nur der Mann mittleren Alters gewagt, seinen Kloß offen vor Gao Yang zu essen, die beiden anderen hatten sich weggedreht und in gebückter Haltung gegessen, mit eingezogenem Kopf, die Arme angewinkelt und die Hände mit dem Kloß an den Bauch gepreßt, als wäre der Kloß ein Lebewesen, das weglaufen würde, wenn man den Griff lockerte.
    Als sie mit den Klößen fertig waren, drehten sich beide fast gleichzeitig um. Die drei Gefangenen wechselten Blicke, dann senkten sie den Kopf und schlürften ihre Suppe.
    Das Gluckern der Suppe in den Eßschalen löste bei Gao Yang einen bedingten Reflex aus. Die Schlürfgeräusche öffneten so etwas wie ein unsichtbares Ventil. Der warme Urin erreichte die letzte Barriere, und es bedurfte nur noch eines leichten Loslassens, um ihn hervorschießen zu lassen.
    Gao Yang roch in diesem Augenblick nicht mehr die verfaulten Knoblauchstengel, er hörte nur noch das Gluckern der Flüssigkeit. Seine Ohren füllten sich mit gluckernder Knoblauchsuppe, die gegen sein Trommelfell drückte, gegen seine Blase, seine Harnröhre, in der sich der Druck verstärkte. Für einen Augenblick glaubte er sogar, es platschen zu hören und eine heiße Nässe auf seinem Oberschenkel zu fühlen.
    Die Mitgefangenen hatten ihre Suppe aufgegessen. Die Finger des Alten zitterten, und die Schale in seinen Händen zitterte mit. Er streckte eine purpurrote, dicke, fette und lange Zunge heraus, um den Rest der Suppe auszulecken, wobei er seine Eßschale drehte und die Zunge der Drehbewegung

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