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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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ersten Tag des Knoblauchverkaufs. Im ganzen Dorf hatte niemand so viel Glück gehabt wie er. Von diesem Geld würde er Jinjü vierhundert Yüan geben, damit sie sich etwas zu essen kaufen konnte, und Kleiderstoff für das Kind. Siebzig Yüan brauche ich als Reisekosten für meine Flucht in die Mandschurei. Dort werde ich meinen Kameraden aus der Soldatenzeit aufsuchen, der stellvertretender Kreisdirektor geworden ist. Vielleicht kann er einen Brief an den Kreis Paradies schreiben, um Straferlaß für mich zu erwirken.
    Die Stahlfessel blitzte in der Dunkelheit. Er wollte sie loswerden. Dazu mußte man sie zerschlagen. Er berührte den dünnen Stahlring, der sich schon tief in sein Fleisch eingegraben hatte. Wenn er Hammer und Meißel bekam und die Zähne zusammenbiß, würde er sie schon runterkriegen. Komme, was da wolle, er mußte nach Hause.
    Er traute sich nicht auf die Hauptstraße. Deshalb folgte er dem Fluchtweg, den er gestern eingeschlagen hatte, in umgekehrter Richtung zurück und achtete aufmerksam auf jedes Geräusch in der Umgebung. Die Polizisten, tröstete er sich, sind ortsfremd und haben die Massen nicht auf ihrer Seite. Selbst wenn ich auf sie stoße, kann ich ihnen noch entkommen. Sie haben zwar Pistolen, mit denen sie gestern zweimal auf mich geschossen haben, und wenn sie mich erschießen, habe ich eben Pech gehabt. Aber sie sind miserable Schützen. Wenn sie mich schon am hellen Tag nicht treffen, wie dann erst in der Nacht?
    Als er in die Gasse kam, in der sein Haus lag, erfaßte ihn eine starke Spannung. Die ihm vertrauten Umrisse der Gebäude und Bäume ließen ein Gefühl der Wärme in ihm aufsteigen. Er suchte Deckung im Akazienwäldchen, hielt den Atem an und beobachtete seinen Hof. Alles war still. Am Fuß der Mauer raschelten Regenwürmer. Fledermäuse flogen zu den Fenstern ein und aus. Er hob einen Erdklumpen auf und warf ihn mit aller Kraft in Richtung Fenster. Der Klumpen traf mit dumpfem Aufschlag den kaputten Kochtopf. Im Hof blieb alles still. Er warf noch einen Klumpen. Niemand regte sich. Zur Sicherheit schlich er sich um sein Anwesen herum, um unter dem Hinterfenster zu lauschen. Im Zimmer piepsten Mäuse. Das beruhigte ihn. Als er wieder in die Gasse einbog, sah er einen Schwarm bunter Papageien über seiner Gasse und dem Akazienwäldchen kreisen. Er nahm an, daß es Gao Zhilengs Papageien waren, die aus ihrer Voliere ausgebrochen waren und einen nächtlichen Ausflug unternahmen. Das dattelbraune Fohlen, das anscheinend nie erwachsen wurde, trabte durch die Gasse. Sein glattes Fell roch nach parfümierter Seife.
    Zu Gao Mas Überraschung stand die Haustür weit offen. Ihm sträubten sich die Haare. Da er schon länger in der Dunkelheit unterwegs war, hatten sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt. Als er über die Schwelle trat, bemerkte er deshalb sofort, daß ein Mensch mitten in der Tür zum Ostzimmer stand. Er wollte wegrennen, aber die Beine versagten ihm den Dienst. Er nahm einen leichten Blutgeruch wahr, der vom vertrauten, aber schon etwas abgestandenen Körpergeruch Jinjüs überlagert wurde. Der Alptraum der letzten Nacht fuhr ihm wie ein elektrischer Schlag ins Bewußtsein. Er mußte sich am Türrahmen festhalten, um nicht hinzufallen. Er tastete auf dem Herd nach Streichhölzern, doch seine Hände zitterten so, daß er drei Hölzer zerbrach, bis das erste brannte. In dessen unruhig flackerndem Licht erfaßte er auf einen Blick Jinjüs Gestalt. Mit hochgewölbtem Bauch, purpurrotem Gesicht, herausgestreckter Zunge und aus den Höhlen tretenden Augen hing sie in der Mitte des Türrahmens. Er streckte die Hände nach ihr aus, um sie in die Arme zu nehmen, aber alle Kraft wich aus seinem Körper, und er fiel wie eine einstürzende Mauer rückwärts zu Boden.

Zwölftes Kapitel
    Landbewohner, Hand in Hand,
    erstürmt das Kreishaus, kühn wie nie.
    Der Kreisdirektor ist kein Fixstern,
    die Bauern sind kein Vieh.
    Aus einem Lied, das der blinde Zhang Kou sang, um die Volksmassen zum Sturm auf die Kreisverwaltung anzufeuern, als am siebten Tag der Knoblauchkrise die in den Straßen verfaulenden Knoblauchstengel schon bis zum Himmel stanken.
1
    Gao Yang lag auf der Pritsche. Er hatte die Decke noch nicht hochgezogen, da schlief er schon. Und mit dem Schlaf kamen die Alpträume. Anfangs träumte er von einem Hund, der an seinem Fußgelenk nagte. Der Hund biß sich Stück für Stück von seinem Knöchel ab und schlabberte eins nach dem anderen auf, als wollte er ihm all

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