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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Mauer.
    »Gao Yang«, sagte der Sicherheitsdirektor, »Parteisekretär Huang möchte von dir wissen, ob du deine Mutter, diese alte Grundbesitzerin, heimlich begraben hast.«
    Gao Yang war überrascht. Er hatte nicht damit gerechnet, daß sich die Nachricht so schnell verbreiten würde. Er hatte auch nicht erwartet, daß die Produktionsbrigade einer Verstorbenen viel Aufmerksamkeit schenken würde. Er sagte: »Es regnet stark. Wenn sie nicht in die Erde gekommen wäre, hätte sie zu riechen angefangen. Ausgeschlossen, sie bei diesem Sturzregen in die Kreisstadt zu schaffen.«
    »Ich diskutiere nicht mit dir«, sagte der Sicherheitsdirektor. »Du kannst deine Gründe dem Parteisekretär vortragen.«
    »Onkel …« Gao Yang legte die Hände zusammen, senkte den Kopf und verbeugte sich, »Onkel, laß mich gehen.«
    »Komm schon. Wenn du tust, was man dir sagt, passiert dir nichts«, sagte der Sicherheitsdirektor.
    Ein großgewachsener junger Bursche trat vor und trieb Gao Yang mit einem Stoß des Gewehrkolbens gegen den Hintern zur Eile an: »Vorwärts, los, Kerl.«
    Gao Yang drehte sich überrascht um. »Anping, wir sind Brüder …«
    Der Angesprochene antwortete mit einem zweiten Stoß seines Gewehrkolbens. »Beeil dich. Auch eine häßliche Braut muß sich den Schwiegereltern stellen.«
    Im Büro der Produktionsbrigade hatte man bereits einen langen Tisch aufgestellt, hinter dem Parteisekretär Huang saß und rauchte. Die frisch auf rotes Papier gemalten politischen Parolen an den Wänden jagten Gao Yang einen gewaltigen Schrecken ein. Als er vor dem Parteisekretär stand, klapperten ihm die Zähne.
    Parteisekretär Huang lächelte gutmütig. »Gao Yang, dein Mut ist erstaunlich.«
    »Großonkel … ich …« Gao Yangs Beine gaben nach, er lag auf den Knien.
    »Steh auf, steh auf«, sagte Parteisekretär Huang, »wer ist hier dein Großonkel?«
    Der Sicherheitschef gab ihm einen Fußtritt. »Hoch mit dir.«
    Gao Yang stand auf.
    »Kennst du die Vorschrift des Kreises, nach der für alle Verstorbenen die Feuerbestattung angeordnet ist?« fragte Parteisekretär Huang.
    »Ich weiß, ich weiß.«
    »Wenn du es weißt, weshalb verstößt du dann vorsätzlich gegen die Vorschrift?«
    »Parteisekretär Huang«, sagte Gao Yang, »bei diesem schlimmen Regen und der großen Entfernung zur Kreisstadt … ich habe nicht das Geld für die Krematoriumsgebühr, ich habe nicht das Geld für eine Urne … ich dachte, ich hätte die Urne sowieso begraben müssen, das verbraucht genausoviel Ackerland.«
    »Das klingt ja sehr vernünftig. Anscheinend bist du noch klüger als die Kommunistische Partei.«
    »Das habe ich nicht gemeint. Ich will damit nur sagen …«
    »Sag besser nichts.« Der Parteisekretär schlug auf den Tisch und stand auf. »Grab deine Mutter wieder aus und bring sie ins Krematorium.«
    »Parteisekretär Huang, ich bitte dich, verlang das nicht von mir …« Gao Yang war wieder auf die Knie gesunken und schluchzte: »Meine Mutter hat ihr ganzes Leben lang leiden müssen. Jetzt ist sie endlich tot und begraben. Die Quälerei muß ein Ende haben.«
    »Gao Yang, du siehst die Dinge falsch. Deine Mutter hat vor der Befreiung von der Ausbeutung gelebt. Sie führte ein Leben in Reichtum und Glanz. Nach der Befreiung mußte sie zur Umerziehung unter Aufsicht der Massen arbeiten. Das war vollkommen in Ordnung. Nach dem Tode eingeäschert zu werden ist auch vollkommen in Ordnung. Wenn ich tot bin, werde ich auch verbrannt.«
    »Parteisekretär Huang, meine Mutter hat mir erzählt, daß sie sich vor der Befreiung nicht einmal Teigtaschen zum Essen gegönnt hat. Sie ist um vier Uhr morgens aufgestanden und erst nach Mitternacht ins Bett gekommen. Jedes kleine Geldstück wurde aufgehoben, um Ackerland zu kaufen.«
    »Willst du das Urteil der Partei umstoßen?« fragte Parteisekretär Huang zornig. »Willst du behaupten, daß die kommunistische Bodenreform ein Fehler war?«
    Gao Yang bekam einen Kolbenschlag auf den Hinterkopf. Vor seinen Augen tanzten Sterne. Er fiel kopfüber zu Boden, sein Mund berührte den blauen Ziegelboden.
    Ein Milizsoldat zog ihn an den Haaren wieder hoch. Der Sicherheitsdirektor schlug ihn mit einer dünnen Holzlatte rechts und links ins Gesicht, daß es klatschte.
    Parteisekretär Huang sagte: »Schließt ihn im Westzimmer ein. Dai Zijin, geh in den Funkraum und ruf die Mitglieder der Parteizelle zu einer Sondersitzung in die Produktionsbrigade.«
    Gao Yang wurde in einem leeren Raum im Westflügel

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