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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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der Produktionsbrigade eingeschlossen und von zwei bewaffneten Milizsoldaten bewacht, die ihm auf einer Bank gegenübersaßen. Draußen donnerte es. Ein Sturzregen fiel, und der Hagel von Regenpfeilen, die auf die roten Dachziegel und die großblättrigen Bäume im Hof der Brigade niedergingen, prasselte ohrenbetäubend.
    Der Lautsprecher knackte eine Weile, dann hörte man die Stimme Dai Zijins. Die von ihm aufgerufenen Namen waren Gao Yang alle sehr vertraut.
    Ein Milizsoldat bemerkte: »Gao Yang, du hast dir da was Schönes eingebrockt.«
    »Kleiner Onkel«, erwiderte Gao Yang, »ich habe meine Mutter nicht auf dem Land begraben, das unserer Produktionsbrigade gehört.«
    »Ob deine Mutter verbrannt wird«, sagte der Milizsoldat, »ist jetzt nicht mehr die Hauptsache.«
    »Was ist dann die Hauptsache?« fragte Gao Yang ängstlich.
    »Du willst das Urteil der Partei umstoßen.«
    »Was ich gesagt habe, ist nichts als die Wahrheit. Die Leute im Dorf wissen alle, daß mein Vater ein berüchtigter Geizkragen war, der nur das eine Ziel hatte, Geld zu sparen, um Land zu kaufen. Wenn meine Mutter bloß ein Pfund Rüben zum Essen kaufte, hat er sie schon geschlagen.«
    »Es hat keinen Zweck, daß du mir das erzählst«, sagte der Milizsoldat teilnahmslos.
    Am Abend dieses Tages fand trotz des heftigen Regens eine Vollversammlung der Kommunemitglieder statt. Gao Yang konnte sich nicht mehr an Einzelheiten der Versammlung erinnern, er wußte nur noch, daß bis tief in die Nacht Parolen geschrien wurden und der Regen ununterbrochen rauschte.
    Am Vormittag des folgenden Tages wurde er von einigen Milizsoldaten an einen Stuhl gefesselt. Sie hängten ihm vier zusammengebundene Ziegelsteine an einem dünnen Hanfseil um den Hals, das wie ein scharfes Messer in seinen Nacken einschnitt, so daß er das Gefühl hatte, ihm würde jeden Augenblick der Kopf abgetrennt. Am Nachmittag band ihm der Sicherheitsdirektor die Daumen mit einem dünnen Draht zusammen und hängte ihn damit an einem Stahlträger auf. Er verspürte keinen starken Schmerz, doch in dem Augenblick, als sein Körper vom Boden abhob, brach ihm am ganzen Körper der kalte Schweiß aus.
    »Sag, wo hast du die Grundbesitzerin begraben?«
    Er schüttelte den Kopf. In seinem Gehirn tauchten das herrenlose Ödland und der schnell strömende Fluß auf. Die Grassoden waren die ganze Zeit vom Regen durchtränkt worden und konnten nicht welken. Auch seine Fußabdrücke waren vom starken Regen ausgelöscht worden. Wenn er nichts sagte, konnte seine Mutter in Frieden ruhen. Er schwor sich, dieses Geheimnis nie zu verraten, und wenn man ihn totschlüge.
    Doch seine Entschlossenheit kam ins Wanken, als der Sicherheitsdirektor ihm einen Dornenzweig zwei Spannen tief in den After bohrte.
    »Onkel«, schrie er kläglich, »Gnade! Ich führe euch zu der Stelle.«
    Der Sicherheitsdirektor zog den blutbefleckten Dornenzweig heraus, und man ließ Gao Yang auf den Boden herab. »Wo hast du sie begraben?«
    Gao Yang blickte in das finstere Gesicht des Sicherheitsdirektors, schaute an seinem eigenen Körper hinunter und richtete die Augen auf den nebligen Himmel hinter dem Fenster. »Mutter«, sagte er, »dein Sohn wird heute noch bei dir sein.« Mit gesenktem Kopf rannte er auf die Wand zu. Zwei Milizsoldaten fingen ihn ab.
    Ein Gefühl unmäßigen Zorns stieg in ihm auf, und er schrie aus vollem Halse: »Brüder, Väter! Ich, Gao Yang, habe in meinem ganzen Leben nie etwas Schlechtes getan. Ihr habt keinen Grund, mich zu hassen. Warum quält ihr mich so?«
    In den Augen des Sicherheitsdirektors lag fast so etwas wie Mitgefühl. Trotzdem sagte er entschieden: »Das ist der Klassenkampf.«
    Der Sicherheitsdirektor folterte ihn nicht weiter, und auch die Milizsoldaten ließen ihn in Ruhe. Über Nacht wurde er in einem leerstehenden Raum eingesperrt. Zwei Milizsoldaten trugen zwei lange Tische herein, die ihnen als Schlafgelegenheiten dienten. Eigentlich sollten sie abwechselnd Wache halten, aber ab Mitternacht schnarchten beide.
    Die Fenster in diesem Raum hatten Holzrahmen, und für jemanden, der entkommen wollte, mußte es ein leichtes sein, mit einem Fußtritt ein Fenster zu zertrümmern und in den Hof zu springen. Aber Gao Yang hatte nicht die Absicht, die Flucht zu ergreifen, und ihm fehlte es auch an Kraft für eine solche Tat. Der Dornenzweig des Sicherheitschefs hatte seinen Darm verletzt. Sein Bauch war aufgetrieben, weil die Gase nicht entweichen konnten, und er hatte starke

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